Tagebuch eines Vampirs - Jagd im Morgengrauen
lebendig und wild und roh. Es war berauschend.
Auf der Lichtung neben dem Haus der Vitale Society, das mitten im Wald in der Nähe des Campus lag, hielten sie inne; irgendetwas stimmte nicht.
Chad legte den Kopf schräg und stieß ein leises, tiefes Jaulen aus. Die anderen Wölfe fielen ebenfalls ein und zwei von ihnen gingen unruhig vor dem Haus auf und ab.
»S ie sagen, die Vampire seien nicht da«, berichtete Daniel. Das hatte Stefano auch bereits bemerkt. Er lauschte angestrengt und konnte Schritte und gedämpfte Flüche hören, während Meredith und ihre Gruppe durch das kleine Haus gingen. Aber sonst– nichts. Abgesehen davon, dass Stefano mit seiner Macht eine Gruppe von Vampiren gespürt hätte, noch dazu wenn sie so groß und so nah war wie die der Vitales.
»K ommt«, sagte Stefano und ging auf die Vordertür zu. Mit einer schnellen Drehung des Handgelenks brach er das Schloss auf und trat mühelos ein– seit langer Zeit schon hatte hier kein Mensch mehr gelebt. Der schwache Geruch von Eisenkraut, der sich vom Tunneleingang im Keller erhob, benebelte ihn für einen Moment, aber er konnte ihn rasch abschütteln.
»W ir sind es«, rief er leise, als ihre Freunde sich nicht gleich zeigten, doch einer der Wölfe zog eine Schnute, als lache er ihn aus. Natürlich brauchten sie die anderen nicht auf ihre Anwesenheit aufmerksam zu machen; die Rudelgefährten wussten genau, wo sie waren.
Da trottete die ganze Gruppe die Treppe herauf und drängte sich in den schmalen Flur des Hauses, das einst wahrscheinlich eine Jagdhütte gewesen war. Zander, der sich in einen verblüffend schönen Wolf verwandelt hatte– reinweiß mit den gleichen himmelblauen Augen, die er auch als Mensch hatte–, knurrte leise, und sein Rudel zog sich um ihn zusammen, während Stefano zu Meredith und Matt hinüberging.
»D ie Tunnel waren leer«, erklärte Meredith grimmig. »E ntweder gibt es noch andere Ausgänge, von denen wir nichts wissen, oder sie waren nicht da, als wir die Bomben zündeten.«
»D enkst du, sie sind alle auf der Jagd?«, fragte Matt mit großen Augen, die seine Besorgnis verrieten.
Stefano schüttelte den Kopf. »S elbst wenn die Anstecknadeln der Vitale Society sie vor der Sonne beschützen, werden sie nicht tagsüber jagen. Das Sonnenlicht ermüdet solch junge Vampire viel zu sehr«, erklärte er entschieden. »W ir kommen zu spät. Sie müssen bereits aufgebrochen sein. Vielleicht beginnen sie den Wiedererweckungszauber doch schon früher.« Frustriert ließ er seine Faust gegen die Wand krachen, sodass sich ein langer Riss durch den Gips zog.
Plötzlich hoben alle Werwölfe gleichzeitig den Kopf, und auch Stefano versteifte sich: Irgendwo auf der anderen Seite der rissigen Wand war eine kurze, erschrockene Bewegung zu hören gewesen.
»H ier ist jemand«, übersetzte Daniel. »Z ander sagt, sie sei in dem Raum am Ende des Flurs.«
Sie. Also nicht Ethan, sondern eine seiner Anhängerinnen.
Stefano näherte sich als Erster leise der Tür und Zander tappte neben ihm her. Meredith war direkt hinter ihm und hielt ihren Stab bereit. Matt und der Rest des Rudels blieben zurück, angespannt und wachsam, um ihnen Rückendeckung zu geben.
Mit einem plötzlichen, brachialen Tritt brach Stefano durch die Tür und hob die Arme, um einen Angriff abzuwehren.
Ganz hinten, in einer Ecke des Raumes, kauerte ein Mädchen mit lockigem Haar, die Arme schützend erhoben, die Augen vor Angst weit aufgerissen. Sie sah so verletzlich aus, dass Stefano für einen Moment zögerte.
Doch Meredith schoss an ihm vorbei und drückte ihren Kampfstab gegen die Brust des Mädchens, direkt über dem Herzen.
»N ein!«, schrie Matt von der Tür aus und drängte sich durch die Gruppe der Werwölfe. »A ufhören!« Er durchquerte den Raum und blieb vor dem Mädchen stehen. Das Mädchen senkte die Arme und sah Matt erstaunt an.
»M att?«, flüsterte sie.
»O h, Chloe«, rief Matt klagend. Er hob eine Hand, zögerte dann aber, sie zu berühren, und seine Hand verharrte mitten in der Luft.
Matts Freundin Chloe, erinnerte Stefano sich. Chloe, das erste Mädchen, an dem Matt etwas lag, seit er – vor einer Ewigkeit, wie es schien – mit Elena gegangen war.
Matt ließ die Hand sinken, und Stefano fragte sich, ob Matt sich an die grausame Mörderin erinnerte, zu der seine Freundin Beth geworden war, und ob er sich bereits mit Chloes Schicksal abfand.
»W o sind die anderen Vampire?«, fragte Meredith kalt und verstärkte den Druck
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