Tagebuch eines Vampirs - Jagd im Morgengrauen
flackernden Licht ein Feuer. Die Wölfe vor ihr stellten die Ohren auf; dann rannten sie zusammen mit Stefano plötzlich los. Mit riesigen Schritten überwanden sie die Entfernung und ließen die Menschen zurück. Chloe war einige Meter hinter ihnen.
Matt und Meredith nahmen Elena in ihre Mitte und liefen hinter den anderen her. Elena stolperte. Ein scharfer Schmerz durchzuckte sie, aber ihre Freunde hielten sie sicher und fest, und sie bewegte sich automatisch weiter.
Einen Moment später hörten sie das, was Stefano und das Rudel bereits zuvor gehört haben mussten: einen schweren, vielstimmigen Gesang, über dem sich eine einzelne kräftige Stimme deutlich erhob.
Elena konnte nicht erkennen, in welcher Sprache sie sangen, aber es klang uralt und kehlig. Nicht Latein, dachte sie, aber vielleicht Griechisch oder Altgermanisch oder sogar etwas viel Älteres aus den frühen Tagen dieser Erde. Sumerisch, schoss es ihr wild durch den Kopf. Die Sprache der Inkas. Wer weiß?
Als sie die Lichtung erreichte, brannten ihre Augen von dem Qualm des Feuers, und das Erste, was sie sah, war ein Knäuel sich windender, dunkler Gestalten vor den Flammen. Nachdem sich ihre Augen angepasst hatten, erkannte sie Ethan, der den Gesang anführte und dabei verblüffenderweise immer noch aussah wie ein ziemlich normaler Student. Bis auf den Kelch mit dem kräftigen, dunklen Blut in seiner Hand, den er hochhielt, als sei es Wein.
Warum halten sie ihn nicht auf?, dachte Elena, und erst dann sah sie die kämpfenden Männer und Frauen vor ihr.
Stefano riss mit brutaler Anmut die Kehle eines hochgewachsenen, leicht gebeugten Vampirs auf. Elena glaubte, ihn schon einmal auf dem Campus gesehen zu haben, vor seiner Verwandlung durch Ethan und die Vitale Society. In der Nähe kämpften auch Werwölfe, ein jeder in perfektem Einklang mit dem anderen. Die Vampire, die gerade nicht in den Kampf verwickelt waren, hatten einen Kreis um Ethan gebildet und schirmten ihn gegen den Angriff ab, während er sein Ritual fortsetzte.
Meredith stürzte sich in das Gemenge und die Enden ihres Kampfstabs blitzten silbrig im Feuerschein auf. Elena und Matt, die sich ihres Mangels an übernatürlicher Macht nur allzu bewusst waren, blieben am Rande der Lichtung stehen. Chloe verharrte ein kleines Stück von ihnen entfernt, den Blick starr auf den Kampf gerichtet. Sie biss sich auf die Unterlippe und schlang die Arme um sich, und Elena hatte Mitleid mit ihr: Sie erinnerte sich an die beunruhigende Begierde, die sie selbst als neuer Vampir verspürt hatte, und an die Herausforderung, die jede Bewegung des eigenen Schöpfers für den Neuling bedeutete. Es musste die reinste Qual für Chloe sein, sich nicht in den Kampf zu stürzen.
Matt beobachtete Chloe ebenfalls, die Stirn voller Sorgenfalten, aber er hielt Abstand und machte sich darauf gefasst, Elena vor Chloe oder den anderen Vitale-Vampiren zu schützen. Er wird sich ebenfalls daran erinnern, wie unberechenbar ein frisch erschaffener Vampir sein kann. Elena drückte dankbar seinen Arm. Einmal mehr dachte sie: Wenn ich ohnehin eine Wächterin werden muss, wäre jetzt ein wirklich guter Zeitpunkt für die Entfaltung einiger Kräfte.
Sie versuchte zu spüren, ob sich irgendetwas in ihr veränderte, wie wenn man mit der Zunge einen wackeligen Zahn ertastete, aber da war nichts. Nichts von dem Gefühl eines sich entfaltenden Potenzials, wie sie es während der kurzen Zeit nach ihrer Wiederauferstehung verspürt hatte, als sie voller mysteriöser und gefährlicher Flügelkräfte gewesen war. Sie blieb einfach die sterbliche, alltägliche Elena, die keine Chance hatte, helfend einzugreifen.
Sie beobachtete, wie ein Vampir einen riesigen weißen Wolf packte und ihn mit voller Wucht beiseiteschleuderte. Der Wolf krachte am Rande der Lichtung schwer zu Boden und blieb reglos liegen. Elenas Herz erstarrte. Oh nein, Zander!, dachte sie und trat unwillkürlich vor, aber Matt hielt sie zurück. Oh, Bonnie.
Elena konnte nicht erkennen, ob er noch atmete. Doch dann rappelte sich der Wolf langsam und mit bebenden Flanken wieder hoch. Auf seinem reinweißen Fell prangten Streifen von Blut und Schlamm. Zander taumelte, dann schien er das Gleichgewicht wiederzufinden und stürzte sich erneut knurrend in den Kampf. Mit einem unerwarteten Angriff zwang er ein Vampirmädchen auf die Knie und Daniel gab ihr mit einem schnellen Hieb den Rest.
Anfangs hatte Elena noch den Eindruck gehabt, als seien die Kämpfer gleich stark,
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