Tagebuch eines Vampirs - Jagd im Morgengrauen
den Kampf vorbereitete. Sie schärfte ihre Messer, polierte mit angespannter, verschlossener Miene ihren Kampfstab und weigerte sich, Stefano oder Elena auch nur anzusehen. Spontan ging Elena auf ihre Jägerfreundin zu. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, aber Meredith verstand etwas von Loyalität; sie würde Elena verzeihen können, selbst wenn sie nicht ihrer Meinung war. Doch nach nur wenigen Schritten spürte Elena eine Hand auf dem Arm. Als sie sich umdrehte, stand Andrés hinter ihr und lächelte sie zaghaft an.
»D u bist gekommen«, sagte sie, und schlichte Freude stieg in ihr auf.
»D u hast mich gerufen«, antwortete er. »W ir müssen doch zusammenhalten gegen die bösen Dinge dieser Welt, ja?«
»A bsolut«, bekräftigte Stefano, der sich zu ihnen gesellte. Elena machte Stefano und Andrés miteinander bekannt und beobachtete, wie Andrés die Stirn runzelte und sich ein wenig zurückzog; offensichtlich begriff er erst jetzt, dass der Stefano, von dem sie ihm erzählt hatte, ein Vampir war. Doch dann schüttelte er Stefano begeistert die Hand und Elena entspannte sich. Sie hatte zwar vermutet, dass Andrés den guten Kern in Stefano – Vampir hin oder her – erkennen würde, aber sie war sich nicht ganz sicher gewesen. Die Wächter des Himmlischen Hofs hatten ihn schließlich nicht erkannt, nicht wirklich.
Nachdem er Andrés begrüßt hatte, drehte Stefano sich wieder zu Elena um. »I ch denke, wir sind alle abmarschbereit«, meinte er. »B ist du auch so weit?«
»J a«, antwortete Elena. Sie schloss die Augen, atmete tief ein und spürte, wie Andrés ihr seine Kräfte anbot. Sie öffnete sich und ließ sie in sich hineinströmen.
»D enk an den Schutz«, wies Andrés sie in kaum wahrnehmbarem Flüsterton an. »D enk daran, jene, die du liebst, gegen Nicolaus zu verteidigen.« Elena konzentrierte sich, und wie bereits beim ersten Mal fühlte es sich so an, als entfalteten sich Blüten in ihr, eine nach der anderen.
Sie spürte das ebenso vertraute wie geheimnisvolle Schwarz und Grau und Blau von Damons Aura auf der anderen Seite des Campus und schob es von sich. Dann konzentrierte sie sich noch stärker. Nicolaus. Nicolaus. Da war noch etwas anderes, ölig und dunkel wie ein Leichentuch, das nach fauligem Rauch stank. Schlimmer als Damons Aura, viel schlimmer.
Sie riss die Augen auf. »H ier entlang«, sagte sie.
Selbst für Meredith, die von allen Menschen in der Gruppe die beste Wanderin war, fühlte es sich so an, als wären sie bereits stundenlang marschiert. Sie befanden sich tief im Wald, die Sonne war inzwischen über ihre Köpfe hinweggezogen und hing über dem Horizont; der Vorteil, den sie sich vom Tageslicht erhofft hatten, schwand dahin. Aber Elena ging immer noch weiter, so hoch aufgerichtet und sicher, als folgte sie einer deutlich angelegten Straße durch den Wald.
Meredith band sich das Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen und versuchte, sich zu beruhigen, während sie hinter Elena herschritt; sie versuchte, die Erinnerung an das letzte Mal beiseitezuschieben, als Elena sie angeführt hatte– die Erinnerung an Damons grausame Nahrungsaufnahme. Eine gute Kämpferin konzentrierte sich auf die vor ihr liegende Schlacht, nicht auf Konflikte innerhalb ihrer eigenen Truppe.
Der Boden wurde immer sumpfiger, und ihre Schritte hinterließen kleine Wasserpfützen, als Elena plötzlich stehen blieb und den anderen bedeutete, zu ihr aufzuschließen.
»W ir sind fast da«, erklärte sie. »W ir müssen nur noch an dieser nächsten Baumgruppe vorbei.«
»B ist du dir sicher, dass Nicolaus dort ist?«, fragte Meredith, und Elena schüttelte den Kopf.
»A ber auf jeden Fall ist dort eine große Gruppe von Vampiren«, erwiderte sie, »d as spüre ich.«
Stefano nickte. »I ch spüre es ebenfalls.«
Jetzt, da alle wussten, wohin sie gehen mussten, ließ Elena sich zurückfallen, bis sie sich neben Alaric und Bonnie wiederfand; die beiden hatten gerade ihre Hände ausgestreckt und begannen, Zauber des Schutzes und der Tarnung zu murmeln. Andrés, der tief und ruhig atmete und Macht in sich aufzusaugen schien, gesellte sich zu ihnen. Es wurde Zeit, dass die Kämpfer die Führung übernahmen.
Stefano und Meredith gingen nebeneinander. Stefano hatte den Mund leicht geöffnet, und Meredith konnte sehen, dass seine scharfen Eckzähne sich in Erwartung des Angriffs zu ihrer vollen Größe entwickelt hatten. Ein schwacher, unerwarteter Stich durchzuckte sie: Es war noch nicht lange her, dass
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