Tagebuch eines Vampirs - Jagd im Morgengrauen
gemeinsam an einem Vampir, drückten ihn mit ihren schweren Leibern zu Boden und zerrissen ihn.
Bonnie und Alaric sangen lateinische Zauber, ihre Stimmen ruhig, aber angespannt. An ihrer Seite hörte Elena Andrés leise auf Spanisch murmeln. Sie schaute ihn an und erkannte seine klare Aura: Ein Kreis in der Farbe von frühlingsfrischen Buchenblättern breitete sich von ihm aus und berührte ihre Verbündeten im Kampf. Sie begriff, dass Andrés genau wie Bonnie und Alaric alle Macht nutzte, die er aufbieten konnte, um ihre Freunde zu beschützen.
Sie kämpften hart, aber es waren so viele Vampire, mindestens zwanzig. Männer und Frauen aller Rassen und Völker, alle jung, alle schön. Alle mit jener wahnsinnigen Wildheit in ihrem Gesichtsausdruck, die auch Nicolaus’ Miene zeigte: Sie waren wild vor Hass und Erwartung. Sie wollten kämpfen, wollten töten. Einer, ein goldhaariger Junge, der jünger als Elena sein musste, vielleicht im Highschool-Alter, rang lachend einen Werwolf zu Boden, sein Gesicht blutverschmiert.
Catarina ist hier. Die Worte hallten in Elenas Gehirn wider. Nicolaus hatte ihre älteste Feindin wiedererweckt. Und Nicolaus selbst war durch das Blut jener Vampire wiedererweckt worden, die Catarina erschaffen hatte.
Nicolaus hatte alte Freunde herbeigerufen. Und plötzlich durchfuhr Elena ein Übelkeit erregender Gedanke: Waren dies etwa alles Vampire, die Nicolaus einst verwandelt hatte, alle auf einem Fleck vereint wie eine Art bösartiger Stamm, eine Art Familie? Und hatte Nicolaus ihr Blut benutzt, um Catarina wiederzuerwecken, sein meistgeliebtes Kind, ebenso wie er wiedererweckt worden war?
Da sah Elena, dass Nicolaus direkt auf sie zukam; er watete durch die brutal kämpfende Menge, sein Gesicht voller freudiger Erwartung. Er ist so attraktiv, dachte sie geistesabwesend, und so furchteinflößend. Seine eisblauen Augen waren groß, seine Haut leuchtete golden im Mondlicht. Etwas glänzte in seiner Hand. Mit einem Frösteln begriff Elena, dass er einen blanken Dolch in den Fingern hielt.
Elena konnte sich nicht bewegen. Sie fühlte sich wie in einem Traum, während Nicolaus immer näher und näher kam. Er lächelte und glitt mühelos durch das Kampfgetümmel, bis er so nah war, dass sie den metallischen Geruch von Blut an ihm riechen konnte. Er nahm ganz sanft ihren Arm und sein Lächeln wurde breiter. Er bannte sie mit seiner Macht, und während ihr Blick rastlos hin und her schweifte, sah sie Andrés, dem vor Entsetzen der Mund offen stand. Da begriff sie, dass Nicolaus auch ihn bannte. Hilflos beobachtete sie, wie Stefano verzweifelt gegen Nicolaus’ Macht ankämpfte, um Elena zu erreichen, bevor es zu spät war.
»H allo, meine Hübsche«, sagte Nicolaus, seine Stimme sanft und vertraulich. »I ch denke, die Zeit ist reif, meinst du nicht auch? Ich bin bereit, dich zu kosten.«
Die Klinge des Dolchs blitzte auf, während er sie an ihren Hals hob. Starr vor Schreck, fixierte Elena den Dolch und erkannte glänzende Runen auf dem Griff. Von der Unterseite der Klinge grinste sie eine seltsame, an eine Eidechse erinnernde Bestie an. Und dann konnte sie den Dolch nicht länger sehen, weil Nicolaus ihn ihr an die Kehle presste.
Stefano, dachte Elena. Sie erblickte ihn auf der anderen Seite der Lichtung, sein Gesicht vor Verzweiflung erstarrt. Obwohl sie ihrem Schicksal als Wächterin nicht entrinnen konnte, hatte sie immer gehofft, auch weiterhin mit ihm zusammen sein zu können, als normale, glückliche Frau. Ohne sie würde ihm das Herz brechen, begriff sie in einem Moment der puren Trauer um seinetwillen und um das, was sie zusammen hätten haben, was sie zusammen hätten sein können.
Dann spürte sie, wie die eiskalte Klinge über ihre Kehle glitt, und sie spürte die Hitze von fließendem Blut. Nicolaus beugte sich dichter über sie, sein Atem kühl und faulig, doch dann zog er sich plötzlich zurück. Die Blutung hat aufgehört, schoss es Elena durch den Kopf. Und sie konnte keinen Schmerz mehr fühlen. Ihre Wunde heilte fast ebenso schnell, wie Nicolaus sie ihr zugefügt hatte.
Nicolaus’ Klinge konnte sie nicht töten. Weil ich eine Wächterin bin?, fragte sie sich benommen.
Nicolaus knurrte vor Zorn und schlitzte ihr erneut die Kehle auf. Elena verspürte einen scharfen Schmerz, aber wie zuvor schien die Wunde sofort zu heilen. Die anderen sahen jetzt hilflos mit an, was vor sich ging, während Nicolaus’ Macht sie weiterhin bannte und von Elena fernhielt. Elena fing
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