Tagebuch für Nikolas
schlage die Augen auf.
»Hallo, Suzanne«, flüstert Matt. »Gott sei Dank, du bist wieder bei uns.«
KATIE KONNTE IMMER nur ein kleines Stück vom Tagebuch lesen. Matt hatte sie gewarnt: Es sind einige Abschnitte darin, die für dich wohl nur schwer zu ertragen sind. Nicht nur schwer zu ertragen, wie Katie nun erfahren hat, sondern überwältigend.
Sie konnte es sich in diesem Augenblick nur schwer vorstellen, aber es gab im Leben wirklich manchmal ein Happy End.
Es gab normale, gut funktionierende Paare wie Lynn und Phil Brown in Westport, Connecticut, die auf einer tollen kleinen Farm lebten, mit ihren vier Kindern, zwei Hunden und einem Kaninchen, und die immer noch ineinander verliebt waren, soweit sie oder ihre anderen Freunde es beurteilen konnten.
Am nächsten Tag rief Katie Lynn Brown an und bot ihr an, an diesem Abend auf deren Kinder aufzupassen, nur an diesem Abend. Sie musste einfach bei den Browns sein. Sie brauchte die Wärme und Geborgenheit einer Familie um sich.
Lynn schöpfte sofort Verdacht. »Katie, was soll das? Was ist los?«
»Gar nichts. Ich vermisse euch. Betrachte es als ein vorzeitiges Geschenk zu eurem Hochzeitstag. Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Ich bin schon in der Grand Central Station. Ich bin schon unterwegs.«
Sie nahm den Zug nach Westport und war gegen sieben Uhr bei Lynn und Phil.
Die Kinder der Browns - Ashby, Tory, Kelsey und Roscoe - waren acht, fünf, drei und ein Jahr alt. Sie liebten Katie, und sie mochten ihren langen Zopf und dass sie so groß war.
Lynn und Phil gingen also aus zu ihrem »Rendezvous«, und Katie kümmerte sich um die Kinder. Sie war Lynn und Phil unendlich dankbar, dass sie ihr »Asyl« gewährten. Sie hatten Matt Harrison kennen gelernt und ihn auf Anhieb gemocht, und im Großen und Ganzen wussten sie über ihn und Katie Bescheid. Sie konnten es auch nicht verstehen. Lynn hatte vorausgesagt, dass Katie und Matt noch im selben Jahr heiraten würden.
Was für ein toller Abend es dann wurde. Die Browns hatten ein kleines Gästehaus, und Phil drohte immer damit, dass er es instand setzen und vorzeigbar machen wollte. Dort verbrachte Katie stets gerne die Zeit mit den Kindern.
Es machte ihnen großen Spaß, ihr Streiche zu spielen: Sie versteckten Katies Koffer und ihre Kleider, oder sie nahmen ihr Make-up und schminkten sich (auch Roscoe). Katie machte mit ihrer Canon Fotos von den Kindern. Sie wuschen Lynns große Lexus-Limousine. Machten zusammen eine Fahrradtour. Sahen sich den Film Chicken Run an. Aßen Pizza.
Als Lynn und Phil gegen dreiundzwanzig Uhr nach Hause kamen, fanden sie Katie und die Kinder schlafend auf Kissen und Decken, die überall verteilt im Gästehaus auf dem Fußboden lagen.
In Wirklichkeit war Katie wach, und sie hörte, wie Lynn Phil zuflüsterte: »Sie ist so cool. Sie wird einmal eine großartige Mutter.« Katie stiegen Tränen in die Augen, und da sie vorgab zu schlafen, musste sie ein Schluchzen unterdrücken.
Sie blieb am Sonnabend bis zum Nachmittag bei den Browns und nahm schließlich den Sechs-Uhr-Zug zurück nach New York. Bevor sie ging, sagte sie Lynn, dass sie schwanger sei. Sie war erschöpft, fühlte sich zugleich aber wieder lebendig, verjüngt. Jedenfalls besser als zuvor. Sie glaubte an kleine Wunder. Sie hatte Hoffnung. Sie wusste, dass es manchmal ein Happy End im Leben gab. Sie glaubte an die Familie.
Ungefähr nach der Hälfte der Fahrt griff Katie in ihre Handtasche und nahm das Tagebuch heraus.
KATIE STIEG in der prächtig restaurierten und aufpolierten Grand Central Station aus dem Zug von Westport. Sie brauchte jetzt ein paar Schritte an der frischen Luft. Es war kurz nach halb acht, und Manhattan erstickte im Verkehr, zumeist hupende Taxis oder Wagen, die von Ferien-und Wochenendhäusern zurückkehrten und deren Fahrer schon wieder halb durchdrehten.
Katie drehte auch fast durch. Das Tagebuch trieb sie dazu. Immer mehr.
Sie hatte immer noch nicht die Antworten, die sie brauchte, um weiterleben zu können. Sie war noch nicht über Matt hinweg - und auch nicht über Suzanne und Nikolas.
Sie dachte über etwas nach, das sie weiter vorn im Tagebuch gelesen hatte, die Lektion der fünf Kugeln: Arbeit, Familie, Gesundheit, Freunde und Rechtschaffenheit.
Die Arbeit war ein Gummiball, nicht wahr?
Suzanne hatte das begriffen, und plötzlich war ihr Leben friedlich und einfach geworden. Sie hatte alles hinter sich gelassen: Arbeit, Stress, Termine, drängelnde und
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