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Tagebuch für Nikolas

Tagebuch für Nikolas

Titel: Tagebuch für Nikolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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konnte sich unmöglich irren.
    Ich hörte in unzusammenhängenden Sprachfetzen, was Connie mir erklärte. Ich war nicht in der Lage, in meinem Kopf vollständige Sätze zu bilden. Ich fühlte mich, als hätte man mir die Hirnnerven durchschnitten. Ich glaubte, tatsächlich fühlen zu können, wie das vergiftete Blut in mir anschwoll, als wäre ich ein Damm, der jeden Moment bricht.
    Dann hörte ich, wie Matt aus dem Zimmer geschickt wurde und ein Notfallteam hereineilte. Ärzte und Schwestern schwirrten um mich herum. Ich spürte, wie mir die Sauerstoffmaske über Nase und Mund gestülpt wurde.
    Ich wusste, was mit mir geschah.
    Meine Nieren versagten.
    Mein Blutdruck fiel.
    Meine Leber schützte kaum noch gegen die Gifte.
    Mein Körper verkrampfte.
    Mir wurden intravenös Infusionsflüssigkeiten und Medikamente gegeben, um die Krämpfe zu beenden, aber dann bekam ich Blutungen.
    Ich wusste, dass mein Körper versagte. Ich wusste so viel mehr, als ich wollte. Ich hatte Angst. Ich schwebte aus meinem Körper, und dann fiel ich in einen dunklen Tunnel. Die vorbeifliegenden schwarzen Wände kamen immer dichter aufeinander zu und quetschten mir die Luft aus den Lungen.
    Ich würde sterben.
    Lieber Nicky,
    Matt wacht an meinem Bett, Tag und Nacht. Daddy lässt mich nie allein, und ich mache mir Sorgen um ihn. Ich habe ihn nie mehr geliebt als jetzt. Er ist der beste Ehemann, der beste Freund, den eine Frau sich wünschen kann.
    Connie kommt immer wieder vorbei, drei-oder viermal am Tag. Ich wusste gar nicht, was für eine großartige Ärztin sie ist, und was für eine großartige Freundin.
    Ich höre sie, und ich höre Daddy. Ich kann nur nicht auf sie reagieren. Ich weiß nicht, warum.
    Nach dem, was ich von ihren Gesprächen gehört habe, weiß ich, dass ich mein Baby verloren habe. Wenn ich weinen könnte, würde ich bis in alle Ewigkeit weinen. Wenn ich schreien könnte, würde ich es tun. Doch ich kann weder das eine noch das andere, und so trauere ich in der schrecklichsten Stille, die man sich vorstellen kann. Die Trauer ist in mir gefangen wie in einer Flasche, und ich sehne mich danach, sie herauszulassen.
    Grandma Jean kommt ebenfalls und sitzt lange an meinem Bett. Auch Freunde von mir aus Martha’s Vineyard kommen, und Ärzte aus dem Krankenhaus und sogar aus Boston. Melanie Bone und ihr Mann Bill besuchen mich jeden Tag. Sogar mein Freund Matt Wolfe, der Anwalt, ist gekommen und hat mir nette Worte ins Ohr geflüstert.
    Ich kann das eine oder andere von dem hören, was die Menschen um mich herum sagen.
    »Wenn es in Ordnung ist, bringe ich heute Nachmittag Nicky mit«, sagt Daddy zu Connie. »Seine Mutter fehlt ihm. Ich glaube, es ist wichtig, dass er sie sieht.« Und dann sagt er: »Selbst wenn es das letzte Mal sein sollte. Ich glaube, ich sollte Monsignore Dwyer anrufen.«
    Matt bringt dich mit in mein Krankenzimmer, Nikolas. Und dann sitzen du und Daddy den ganzen Nachmittag an meinem Bett, erzählen mir Geschichten, halten meine Hand und sagen »Auf Wiedersehen«.
    Ich höre, wie Matts Stimme bricht, und ich mache mir Sorgen um ihn. Vor langer Zeit ist sein Vater gestorben. Matt war erst acht, und er ist nie darüber hinweggekommen. Er hat solche Angst davor, wieder jemanden zu verlieren. Und jetzt bin ich es, die er verlieren wird.
    Ich halte einfach nur durch. Wenigstens glaube ich, dass ich noch da bin. Welche andere Erklärung könnte es sonst geben?
    Wie wäre es sonst möglich, dass ich dein Lachen höre, Nicky? Oder wie du »Mommy« rufst, während ich in dem schwarzen Loch meines Schlafes liege?
    Aber ich höre es.
    Deine süße, kleine Stimme reicht bis hinab in meinen Abgrund und findet mich an diesem tiefen, dunklen Ort, an dem ich gefangen bin. Es ist, als ob du und Daddy mich aus einem seltsamen Traum rufen und eure Stimmen wie ein Leitstern sind, der mich führt.
    Ich kämpfe mich nach oben und greife nach dem Klang eurer Stimmen - aufwärts, aufwärts.
    Ich muss noch einmal dich und Daddy sehen …
    Ich muss noch einmal mit euch sprechen …
    Ich spüre, wie sich der dunkle Tunnel hinter mir schließt, und ich glaube, dass ich vielleicht meinen Weg aus diesem einsamen Ort heraus gefunden habe. Alles wird immer heller. Da ist keine Dunkelheit mehr, die mich umgibt, nur Wärme, und vielleicht das Licht, das mich auf Martha’s Vineyard begrüßt.
    War ich im Himmel? Bin ich jetzt im Himmel? Warum empfinde ich das, was ich jetzt fühle?
    In diesem Augenblick geschieht das Unerwartete.
    Ich

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