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Tagebuch (German Edition)

Tagebuch (German Edition)

Titel: Tagebuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Frank
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Offiziere sich die Hosen voll machen vor Angst, wenn sie einen Soldaten treffen oder irgendwo die Führung übernehmen sollen, weil die Soldaten mehr zu sagen und zu tun haben als sie selbst.
    Verstehst du’s ein bisschen, oder bin ich wieder vom Hundertsten ins Tausendste gekommen? Ich kann’s nicht ändern. Ich bin viel zu fröhlich, um logisch zu sein bei der Aussicht, dass ich im Oktober wohl wieder auf der Schulbank sitzen kann! Oh, là, là, habe ich nicht gerade noch gesagt, dass ich nicht voreilig sein will? Vergib mir, ich habe nicht umsonst den Ruf, dass ich ein Bündelchen Widerspruch bin!
    Deine Anne M. Frank

Dienstag, 1. August 1944
    Liebe Kitty!
    »Ein Bündelchen Widerspruch!« Das ist der letzte Satz meines vorigen Briefes und der erste von meinem heutigen. »Ein Bündelchen Widerspruch«, kannst du mir genau erklären, was das ist? Was bedeutet Widerspruch? Wie so viele Worte hat es zwei Bedeutungen, Widerspruch von außen und Widerspruch von innen. Das Erste ist das normale »sich nicht zufrieden geben mit der Meinung anderer Leute, es selbst besser zu wissen, das letzte Wort zu behalten«, kurzum, alles unangenehme Eigenschaften, für die ich bekannt bin. Das Zweite, und dafür bin ich nicht bekannt, ist mein Geheimnis.
    Ich habe dir schon öfter erzählt, dass meine Seele sozusagen zweigeteilt ist. Die eine Seite beherbergt meine ausgelassene Fröhlichkeit, die Spöttereien über alles, Lebenslustigkeit und vor allem meine Art, alles von der leichten Seite zu nehmen. Darunter verstehe ich, an einem Flirt nichts zu finden, einem Kuss, einer Umarmung, einem unanständigen Witz. Diese Seite sitzt meistens auf der Lauer und verdrängt die andere, die viel schöner, reiner und tiefer ist. Nicht wahr, die schöne Seite von Anne, die kennt niemand, und darum können mich auch so wenige Menschen leiden. Sicher, ich bin ein amüsanter Clown für einen Nachmittag, dann hat jeder wieder für einen Monat genug von mir. Eigentlich genau dasselbe, was ein Liebesfilm für ernsthafte Menschen ist, einfach eine Ablenkung, eine Zerstreuung für einmal, etwas, das man schnell vergisst, nicht schlecht, aber noch weniger gut. Es ist mir unangenehm, dir das zu erzählen, aber warum sollte ich es nicht tun, wenn ich doch weiß, dass es die Wahrheit ist? Meine leichtere, oberflächliche Seite wird der tieferen immer zuvorkommen und darum immer gewinnen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie oft ich nicht schon versucht habe, diese Anne, die nur die Hälfte der ganzen Anne ist, wegzuschieben, umzukrempeln und zu verbergen. Es geht nicht, und ich weiß auch, warum es nicht geht.
    Ich habe große Angst, dass alle, die mich kennen, wie ich immer bin, entdecken würden, dass ich eine andere Seite habe, eine schönere und bessere. Ich habe Angst, dass sie mich verspotten, mich lächerlich und sentimental finden, mich nicht ernst nehmen. Ich bin daran gewöhnt, nicht ernst genommen zu werden, aber nur die »leichte« Anne ist daran gewöhnt und kann es aushalten. Die »schwerere« ist dafür zu schwach. Wenn ich wirklich einmal mit Gewalt für eine Viertelstunde die gute Anne ins Rampenlicht gestellt habe, zieht sie sich wie ein Blümchen-rühr-mich-nicht-an zurück, sobald sie sprechen soll, lässt Anne Nr. 1 ans Wort und ist, bevor ich es weiß, verschwunden.
    In Gesellschaft ist die liebe Anne also noch nie, noch nicht ein einziges Mal, zum Vorschein gekommen, aber beim Alleinsein führt sie fast immer das Wort. Ich weiß genau, wie ich gern sein würde, wie ich auch bin … von innen, aber leider bin ich das nur für mich selbst. Und das ist vielleicht, nein, ganz sicher, der Grund, warum ich mich selbst eine glückliche Innennatur nenne und andere Menschen mich für eine glückliche Außennatur halten. Innerlich weist die reine Anne mir den Weg, äußerlich bin ich nichts als ein vor Ausgelassenheit sich losreißendes Geißlein.

    Wie schon gesagt, ich fühle alles anders, als ich es ausspreche. Dadurch habe ich den Ruf eines Mädchens bekommen, das Jungen nachläuft, flirtet, alles besser weiß und Unterhaltungsromane liest. Die fröhliche Anne lacht darüber, gibt eine freche Antwort, zieht gleichgültig die Schultern hoch, tut, als ob es ihr nichts ausmacht. Aber genau umgekehrt reagiert die stille Anne. Wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich dir bekennen, dass es mich trifft, dass ich mir unsagbar viel Mühe gebe, anders zu werden, aber dass ich immer wieder gegen stärkere Mächte kämpfe.
    Es schluchzt in mir:

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