Tagebuch (German Edition)
wenn ich merke, wie verlassen, wie geringschätzig, wie arm er ist.
Menschen, die eine Religion haben, dürfen froh sein, denn es ist nicht jedem gegeben, an überirdische Dinge zu glauben. Es ist nicht mal nötig, Angst zu haben vor Strafen nach dem Tod. Das Fegefeuer, die Hölle und der Himmel sind Dinge, die viele nicht akzeptieren können. Trotzdem hält sie irgendeine Religion, egal welche, auf dem richtigen Weg. Es ist keine Angst vor Gott, sondern das Hochhalten der eigenen Ehre und des Gewissens.
Wie schön und gut wären alle Menschen, wenn sie sich jeden Abend die Ereignisse des Tages vor Augen riefen und prüften, was an ihrem eigenen Verhalten gut und was schlecht gewesen ist. Unwillkürlich versucht man dann jeden Tag von neuem, sich zu bessern, und selbstverständlich erreicht man dann im Laufe der Zeit auch einiges. Dieses Mittel kann jeder anwenden, es kostet nichts und ist sehr nützlich. Denn wer es nicht weiß, muss es lernen und erfahren: »Ein ruhiges Gewissen macht stark!«
Deine Anne M. Frank
Samstag, 8. Juli 1944
Liebe Kitty!
Ein Vertreter der Firma war in Beverwijk und hat einfach so, bei einer Versteigerung, Erdbeeren bekommen. Sie kamen hier an, sehr staubig, voller Sand, aber in großen Mengen. Nicht weniger als 24 Kistchen für das Büro und uns. Abends wurden sofort die ersten sechs Gläser eingekocht und acht Gläser Marmelade gemacht. Am nächsten Morgen wollte Miep für das Büro Marmelade kochen.
Um halb eins: Außentür zu, Kistchen holen. Peter, Vater und van Daan poltern auf der Treppe, Anne holt warmes Wasser vom Durchlauferhitzer, Margot holt Eimer, alle Mann an Deck! Mit einem ganz komischen Gefühl im Magen betrat ich die übervolle Büroküche, Miep, Bep, Kleiman, Jan, Vater, Peter … Versteckte und Versorgungskolonne, alles durcheinander, und das mitten am Tag! Die Vorhänge und Fenster offen, lautes Reden, schlagende Türen. Vor lauter Aufregung bekam ich Angst. Verstecken wir uns wirklich noch? fuhr es mir durch den Kopf. So ein Gefühl muss das sein, wenn man sich der Welt wieder zeigen darf. Der Topf war voll, schnell nach oben. In der Küche stand der Rest der Familie am Tisch und pflückte Stiele und Blätter ab, wenigstens sollte das Pflücken sein, es ging mehr in die Münder als in den Eimer. Bald war noch ein Eimer nötig, Peter ging wieder hinunter zur Küche. Da klingelte es zweimal! Der Eimer blieb stehen, Peter rannte herauf, die Drehtür wurde geschlossen. Wir zappelten vor Ungeduld. Die Wasserhähne mussten zubleiben, auch wenn die halb gewaschenen Erdbeeren auf ihr Bad warteten. Aber die Versteckregel »Jemand im Haus, alle Hähne dicht wegen des Lärms, den die Wasserzufuhr macht« wurde aufrechterhalten.
Um ein Uhr kommt Jan und sagt, dass es der Postbote war. Peter rennt wieder die Treppe hinunter. Rrrang, die Klingel! Rechtsum kehrt. Ich horche, ob jemand kommt, erst an der Drehschranktür, dann oben an der Treppe. Schließlich hängen Peter und ich wie zwei Diebe über dem Geländer und horchen auf den Lärm von unten. Keine fremde Stimme.
Peter geht leise die Treppe hinunter, bleibt auf halbem Weg stehen und ruft: »Bep!« Keine Antwort. Noch einmal: »Bep!« Der Lärm in der Küche ist lauter als Peters Stimme. Dann rennt er die Treppe hinunter in die Küche. Ich schaue gespannt hinunter.
»Mach, dass du nach oben kommst, Peter! Der Wirtschaftsprüfer ist da! Du musst weg!« Das ist die Stimme von Kleiman. Seufzend kommt Peter herauf, die Drehschranktür bleibt zu.
Um halb zwei kommt Kugler endlich. »Oje, ich sehe nichts anderes mehr, nur Erdbeeren. Mein Frühstück Erdbeeren, Jan isst Erdbeeren, Kleiman nascht Erdbeeren, Miep kocht Erdbeeren, Bep pflückt Erdbeeren, ich rieche Erdbeeren, und wenn ich das rote Zeug loswerden will und nach oben gehe, was wird hier gewaschen? Erdbeeren.«
Der Rest der Erdbeeren wird eingeweckt. Abends: Zwei Gläser offen. Vater macht schnell Marmelade davon. Am nächsten Morgen: zwei Weckgläser offen, mittags vier. Van Daan hat sie nicht heiß genug sterilisiert. Jetzt kocht Vater jeden Abend Marmelade. Wir essen Brei mit Erdbeeren, Buttermilch mit Erdbeeren, Erdbeeren als Dessert, Erdbeeren mit Zucker, Erdbeeren mit Sand. Zwei Tage tanzten überall Erdbeeren, Erdbeeren, Erdbeeren. Dann war der Vorrat aufgebraucht oder hinter Schloss und Riegel in den Gläsern.
»Hör mal, Anne«, ruft Margot. »Wir haben vom Gemüsemann Erbsen bekommen, 18 Pfund.«
»Das ist nett von ihm«, antworte ich. In der
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