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Tagebücher 1909-1923

Tagebücher 1909-1923

Titel: Tagebücher 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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der Kapuzinergruft", Bauer Kunz (mächtig, überlegene Erzählung der Weltgeschichte seiner Wirtschaft, aber freundlich und gut) Allgemeiner Eindruck der Bauern: Edelmänner, die sich in die Landwirtschaft gerettet haben, wo sie ihre Arbeit so weise und demütig eingerichtet haben, daß sie sich lückenlos ins Ganze fügt und sie vor jeder Schwankung und Seekrankheit bewahrt werden bis zu ihrem seligen Sterben. Wirkliche Erdenbürger. –
    Die Burschen, welche am Abend der fliehenden verstreuten Rinderherde über die weiten Felder auf der Höhe nacheilen und dabei einen jungen gefesselten Stier, der sich zu folgen weigert, immer wieder herumreißen müssen. – Dickens Copperfield ("Der Heizer" glatte Dickensnachahmung, noch mehr der geplante Roman. Koffergeschichte, der Beglückende und Bezaubernde, die niedrigen Arbeiten, die Geliebte auf dem Landgut die schmutzigen Häuser u. a. vor allem aber die Methode. Meine Absicht war wie ich jetzt sehe einen Dickensroman zu schreiben, nur bereichert um die schärferen
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    Lichter, die ich der Zeit entnommen und die mattern, die ich aus mir selbst aufgesteckt hätte. Dickens’ Reichtum und bedenkenloses mächtiges Hinströmen, aber infolgedessen Stellen grauenhafter Kraftlosigkeit, wo er müde nur das bereits Erreichte durcheinanderrührt. Barbarisch der Eindruck des unsinnigen Ganzen, ein Barbarentum, das allerdings ich dank meiner Schwäche und belehrt durch mein Epigonentum vermieden habe. Herzlosigkeit hinter der von Gefühl überströmenden Manier. Diese Klötze roher Charakterisierung die künstlich bei jedem Menschen eingetrieben werden und ohne die Dickens nicht imstande wäre, seine Geschichte auch nur einmal flüchtig hinaufzuklettern. Walsers Zusammenhang mit ihm in der verschwimmenden Anwendung von abstrakten Metaphern)
    9. (Oktober 1917) Beim Bauer Lüftner. Die große Diele.
    Teatralisch das Ganze: er nervös mit Hihi und Haha und auf-den-Tisch-schlagen und Armheben und Achselzucken und Bierglasheben wie ein Wallensteiner. Daneben die Frau, eine Greisin, die er als ihr Knecht vor 10 Jahren geheiratet hat. Ist leidenschaftlicher Jäger, vernachlässigt die Wirtschaft. Riesige zwei Pferde im Stall, homerische Gestalten, in einem flüchtigen Sonnenschein, der durch das Stallfens ter kam.
    14. Okt. (1917)
    Ein 18jähriger Junge kommt sich von uns zu verabschieden, er rückt morgen ein: "Indem ich morgen einrücke, komme ich mich von Ihnen beurlauben"
    15 (Oktober 1917) Auf der Landstraße gegen Oberklee, am Abend; ging deshalb, weil in der Küche der Schaffer und 2
    ungarische Soldaten saßen
    die Aussicht aus Ottlas Fenster in der Dämmerung, drüben ein Haus und hinter ihm schon freies Feld
    Kunz und Frau, auf ihren Feldern, auf dem Abhang gegenüber meinem Fenster.
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    21. (Oktober 1917) Schöner Ta g, sonnig warm windstill.
    Die meisten Hunde bellen sinnlos, schon wenn in der Ferne jemand herankommt, manche aber, vielleicht nicht die besten Wachhunde, aber vernünftige Wesen, nähern sich ruhig dem Fremden, beschnuppern ihn und bellen erst bei verdächtigem Geruch.
    6 Nov. (1917) Glattes Unvermögen
    10 Nov (1917) Das Entscheidende habe ich bisher nicht eingeschrieben, ich fließe noch in zwei Armen. Die wartende Arbeit ist ungeheuerlich.
    Traum von der Schlacht am Tagliamento: Eine Ebene, Fluß eigentlich nicht vorhanden, viele sich drängende, aufgeregte Zuschauer, bereit, je nach der Lage, vorwärts oder zurückzulaufen. Vor uns Hochebene, deren Rand, abwechselnd leer und mit hohem Gesträuch bewachsen, man sehr deutlich sieht. Oben auf der Hochebene und jenseits ihrer kämpfen Österreicher. Man ist in Spannung; wie wird es werden?
    Zwischendurch sieht man, offenbar um sich zu erholen, vereinzelte Gebüsche auf dunklem Abhang, hinter denen hervor ein oder zwei Italiener schießen. Das ist aber bedeutungslos, wir allerdings laufen schon ein wenig. Dann wieder die Hochebene: Österreicher laufen den leeren Rand entlang, bleiben mit einem Ruck hinter den Sträuchern stehn, laufen wieder. Es geht offenbar schlecht, es wird auch unbegreiflich, wie es jemals gut gehen könnte, wie kann man, da man doch auch nur ein Mensch ist, Menschen, die den Willen haben sich zu wehren, jemals überwältigen. Große Verzweiflung, allgemeine Flucht wird nötig werden. Da erscheint ein preußischer Major, der übrigens die ganze Zeit über mit uns die Schlacht beobachtet hat, aber wie er jetzt ruhig in den plötzlich leer gewordenen Raum tritt, ist er eine neue

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