Tagebücher der Henker von Paris
schneller folgten die Ereignisse aufeinander, wie Donnerschläge bei einem schon sehr nahen Gewitter. Die Stunde näherte sich, wo die Geschichte des Schafotts und die Frankreichs eins werden und der Fall des dreieckigen Guillotinebeils immer einen neuen Akt des Dramas, welches die Welt in Aufregung erhielt, abschließen sollte. Noch einige Tage, und der verhöhnte Genosse oder vielmehr Meister bei allen früheren traurigen Schauspielen dieser Art war ein blutiger Mordfürst, seine Waffe, die fürchterlich Maschine, das Hauptwerkzeug in den Händen der Gesetzgebenden und Regierenden geworden.
Bisher hatte der Henker, wenn man auf ihn einen verächtlichen Blick warf, seine Spötter höchstens fragen können: »Wenn ihr mich verachtet, verachtet ihr dann auch die Gesetze?« Die blutige Schwärmerei eines ganzen Volkes gab ihm bald das Recht, auszurufen: »Es scheint, daß ihr nur für mich die Revolution gemacht habt!«
Wir stehen im Monat August des Jahres 1792.
Die Konstituante [12] war verschwunden und hatte die Verfassung von 1791 als ihr Werk zurückgelassen, ein Werk, dem zuerst alle zugejauchzt hatten und das kurze Zeit darauf alle verlästerten und zu vernichten wünschten.
Die Partei der Aufwiegler nannte sich Patrioten; sie gehörte der Kommune und den Jakobinern an.
Die Jakobiner sprachen damals lauter von der Rednerbühne und wurden lieber gehört als selbst die Stimme der Legislative. [13] Die bürgerliche Macht der Kommune glich den gesetzlichen Einfluß der Vertreter der Nation aus, und die Kommune war es, welche besagte zweite Nationalversammlung mit einer siegreichen Erhebung bedrohte und zur Abdankung nötigte.
Am 20. Juni war die Revolution bis selbst in den Palast gedrungen, aber noch war die Frechheit nicht so weit gegangen, sich mit Verbrechen zu belasten, und die revolutionären Eindringlinge hatten sich damit begnügt, dem Könige die grausamsten Beleidigungen zuzufügen.
Jetzt galt es alles oder nichts, und das Attentat vom 20. Juni hatte das furchtbare Schauspiel des 10. August zur Folge.
An diesem schrecklichen Tage sah man den Monarchen vor einem bewaffneten Revolutionsheer fliehen. Die ohnmächtige Nationalversammlung dachte an den 20. Juni und erkannte in der mächtigen Hand der Kommune ein höheres Gesetz als welches sie selbst gab. So sollte endlich dieses ein Jahr alte verfassungsmäßige Königtum wie ein mastenloses Schiff in dem wildbrandenden Meere des Volksaufruhrs scheitern und untergehen, ohne daß nur eine einzige Hand den Versuch machte, es dem Schiffbruch zu entreißen.
Die legislative Nationalversammlung hatte sich dahin entschieden, daß der König nach Luxembourg geführt werden sollte, die Kommune verlangte, daß der König als Gefangener in den Temple [14] käme, und die Nationalversammlung gehorchte.
Die Kommune und ihr Aufsichtskomitee, dem Marat präsidierte, verlangte unter großem Geschrei die Bestrafung der Verschwörer vom 10. August. Da erschien Robespierre im Namen der gesamten Bürgerschaft im Schlosse, wo die Nationalversammlung tagte, und brachte den Volkswillen herrisch zum Ausdruck. Nach vergeblichen Widerstandsbemühungen gab die Nationalversammlung endlich nach und betraute die Wahlversammlung mit Ernennung der Mitglieder für ein außergewöhnliches Tribunal, welches die am 10. August begangenen Verbrechen bestrafen sollte. In gleicher Weise hatte man bestimmt, daß das Urteil dieses Gerichtshofes ein für allemal gelten und kein Widerspruch oder Appellation an eine andere Instanz möglich sein solle.
Das Tribunal unterstützte die Absichten derer, welche seine Herstellung verlangt hatten, nur sehr unvollkommen.
Das Tribunal vom 17. August hatte noch keine sogenannte revolutionäre Gerechtigkeit aufzuweisen. Obwohl es in seinem Schoße Männer zählte, die als große und gewaltige Redner bekannt sind, z.B. Fouquier-Tinville, bedienten sich doch alle dieser Waffe mit einer gewissen Mäßigung, welche deutlich genug bewies, daß aus der Seele derer, die das Tribunal bildeten, noch nicht jede Regung des Edelmutes und alle Gesetzeskenntnis verbannt waren.
Erst von den, Septembertagen ab darf man eigentlich von Schrecken sprechen. Am 20. August hatte die Furcht und die Trunkenheit von Blut noch nicht die Herzen versteinert und alles Menschlichkeitsgefühl verlöscht. –
Von 1791 bis zum Monat August 1792 nahm die Zahl der Angriffe gegen Personen und Eigentum immer mehr und mehr zu.
Das Papiergeld der neuen Staatsordnung reizte, ungeachtet der
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