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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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andere Führer angenommen. Noch wurde zwischen den zwei Parteien, die sich untereinander zu vernichten bereit waren, um den Vorrang gekämpft. Diese beiden jetzt nur in Kraft stehenden Gruppen nannten sich die Gironde und der Berg. Beide nahmen sich wohl in acht, einander in die Hände zu fallen. Beide bemühten sich soviel als möglich, für sich den Sieg davonzutragen.
    Nur in etwas stimmten die wie Tag und Nacht einander gegenüberstehenden Parteien überein, nämlich in der Ansicht, daß in den Besitz der Alleinherrschaft käme, wer am besten verstände, den gierigen Leidenschaften der Menge zu schmeicheln, welche nur daran dachte, blutige Erpressungen gegen das Königtum, gegen die bevorzugten Stände, in ihren Augen die einzig Schuldigen, auszuüben.
    Die ziemlich energischen und doch zugleich phantastischen Reden, welche immer und immer in den Sälen der Klubs widerhallten, stützten und hielten fortwährend diese fieberhafte Aufregung der großen Massen, die nur durch sie zur Erstürmung der Tuilerien, zu den Gefangennahmen und entsetzlichen Schlächtereien vom 2. und 3. September 1792 aufgehetzt worden waren.
    Unter solchen Verhältnissen war selbst der Konvent nur ein reines Schattenbild und vollkommen machtlos. Meistens genötigt, unter den Eingebungen jener entstehenden, Gewalt habenden Gruppe, die man Kommune nannte, zu handeln und sich ihrem Willen zu beugen, war die Mehrzahl seiner Erlasse lediglich ein Erzeugnis der Furcht.
    Wenn man bedenkt, daß die Kommune nichts anderes war als die Vertretung eines möglichst organisierten Aufstandes, so wird jeder einsehen, daß jene Dekrete gerade das, was sie verhüten sollten, in vollstem Maße bewirkten, nämlich das Signal zu einer weit tolleren Gesetzlosigkeit gaben, als die war, welche zur Zeit schon das unglückliche Frankreich verheerte.
    In der Tat, diese Kommune spielte unter einem bescheidenen bürgerlichen Namen eine überaus wichtige Rolle und übte eine fast unumschränkte Gewalt aus. Wie hätte sie es sonst wagen können, eine Nationalversammlung, die doch den unumschränkten Willen des Volkes vertrat, sich vollständig unterzuordnen und ihr in der vollsten und umfassendsten Bedeutung des Wortes Befehle zu geben?
    Alle früheren gesellschaftlichen Bande waren vernichtet, selbst der liebe Gott aus den ihm erbauten Kirchen vertrieben und durch menschliche Gesetze ersetzt; die Königsherrschaft von Schmähungen aller Art überhäuft, endlich gefangengenommen und für immer in ihrem vertretenden Oberhaupt vernichtet worden.
    Für diese neuen Zeiten gehörten neue Menschen, und ungeachtet des energischen Widerstandes der Girondisten, ungeachtet des furchtbaren Gewichts der mächtigen Individualität Dantons, des Septembermannes, sah man nur zu bald die blutige Diktatur Robespierres hereinbrechen und fühlte seine Hand mit eiserner Schwere auf den Tagesfragen lasten.
    Das Leben des Königs war der erste Einsatz bei dem Kampfe der beiden Parteien, welche den Konvent zu beherrschen wünschten.
    Die Gironde wollte nicht aus Grundsatz den Tod Ludwigs XVI., denn sie hatte die traurige Vorahnung, daß dieser politische Mord nicht der letzte sein und der Revolutionsherrschaft ein übles Ende bedeuten würde; aber eingeschüchtert durch das wahnsinnige Geschrei draußen, durch die frechen Lästerungen des »Berges« ließ sie sich von einem künstlich erregten Blutdurst des Volkes die Bewilligung zu jener Hinrichtung entreißen. Einige Monate nachher, nachdem sie schon der tollen großen Masse, der sie hatte schmeicheln wollen, die blutige Bürgschaft gestellt hatte, wurde sie selbst durch dieselben Haufen im Stich gelassen und endete auf demselben Schafott, wo der unglückliche König seine Berühmtheit und Kleinmütigkeit mit dem Leben bezahlen mußte.
    Wer war nun eigentlich das Volk? War es die Menge, welche die Tribüne des Konvents umlagerte, um je nachdem sie im Sinne oder nicht im Sinne ihrer wilden Leidenschaften sprachen, den Rednern Beifall zu klatschen oder sie auszuzischen? Oder war es vielleicht der Haufe, welcher alle Tage da draußen über die Straße zog nach dem Schalle der Trommel und mit Waffengelärm, um überall seine unaufhörlichen Revolutionsgesänge und sein wildes Geschrei erschallen zu lassen? Waren es vielleicht die Männer, welche abends in den Klubs Vorträge hielten und glühende Worte sprachen, die wie Feuerfunken in dem Umkreis leicht erregter Gemüter hellodernde Scheiterhaufen anzündeten? Oder war das Volk endlich jene

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