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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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erfuhren sie denn auch, daß der König einen Aufschub von drei Tagen verlangt habe, um sich zum Tode vorzubereiten.
    Der Konvent wagte nicht, ihn zu bewilligen, und Charles Henri Sanson, der sich bis an die offenen Pforten des legislativen Palastes vorgedrängt hatte, wußte mit Bestimmtheit, daß die letzte und einzige dem Könige von Frankreich gewährte Gunst die war, von seiner Familie Abschied nehmen zu dürfen und bei der Hinrichtung von einem Priester seines Glaubens begleitet zu werden.
    Es war also nicht mehr daran zu zweifeln, daß die Hinrichtung am folgenden Tage stattfinden würde.
    Mein Großvater kehrte ganz außer sich und voll Angst vor diesem nächstfolgenden Tage nach Hause zurück. Mein Vater war ihm schon mit ebenso traurigen Botschaften zuvorgekommen.
    Im Verlauf des Tages fanden sich mehrere Personen ein, die Charles Henri Sanson zu sehen und mit ihm zu sprechen wünschten. Unter den verschiedenen Papieren, die ihm eingehändigt wurden, befand sich auch der verhängnisvolle Befehl, in der Nacht das Schafott aufrichten zu lassen und daselbst den Verurteilten um acht Uhr morgens zu erwarten.
    Die anderen Papiere waren Briefe, die Mehrzahl von ihnen ohne Unterschrift, in welchen man den Henker benachrichtigte, daß für die Befreiung des Königs während des Transportes vom Temple bis zum Revolutionsplatze alle Maßregeln getroffen worden wären und daß bei dem geringsten Widerstande, den Sanson etwa diesem Unternehmen entgegensetzen wollte, er von tausend Dolchstichen durchbohrt sein Leben aushauchen sollte. Andere Briefe wieder enthielten, ohne ähnliche Drohungen auszustoßen, die flehentlichsten Bitten, sich ja einer etwaigen Befreiung des Königs nicht zu widersetzen. Ja, in einigen dieser Briefe beschwor man Charles Henri Sanson, sich mit den Befreiern des königlichen Opfers zu verbinden und die Hinrichtung in die Länge zu ziehen, um so wohlentschlossenen Männern Gelegenheit zur Ausführung ihres Planes zu geben. Letztere würden, vorher unter dem Volkshaufen verborgen, plötzlich die Reihen des Militärs durchbrechen und den König noch auf dem Schafott befreien.
    Dies letzte Mittel, das mein Großvater für unmöglich und ganz unausführbar hielt, preßte ihm wahren Angstschweiß aus.
    Ich überlasse nun betreffs des genauen Berichts das Wort Charles Henri Sanson, der in seinem Tagebuche höchst interessante Nachrichten darüber hinterlassen hat.
    »Das Opfer ist gebracht! …
    Ich bin diesen Morgen um acht Uhr aufgebrochen, nachdem ich vorher meine arme Frau, die mich nicht wiederzusehen fürchtete, und meinen Sohn umarmt hatte; ich habe mich mit meinen beiden Brüdern Charlemagne und Louis Martin in einen Fiaker gesetzt.
    Die Volkshaufen waren in den Straßen so groß, daß nicht mehr viel an neun Uhr fehlte, als wir auf dem Revolutionsplatze anlangten.
    Gros und Barré, meine Gehilfen, hatten die Guillotine schon auf dem Schafott aufgestellt und alles aufs beste geordnet.
    Meine Brüder und ich waren gut bewaffnet. Wir hatten unter unseren Regenmänteln außer dem Degen kurze Dolchmesser, in unserem Gürtel vier Pistolen, eine Pulverbüchse und unsere Kugeltaschen. Wir hielten es gar wohl für möglich, daß man versuchen würde, den unglücklichen Fürsten zu befreien, und daß wir nur zu vieler Mittel bedürfen könnten, ihm einen Weg durch die Menge zu bahnen.
    Als ich auf dem Revolutionsplatze ankam, suchte ich sofort mit den Augen meinen Sohn und bemerkte ihn auf wenige Schritte Entfernung von mir mit seinem Bataillon. Er betrachtete mich mit einem verständlichen Blick und schien mich ermutigen zu wollen, indem er mir mit der Hoffnung schmeichelte, daß ich diesmal nicht würde den Becher bis zur Hefe austrinken müssen.
    Ich horchte aufmerksam nach jener Gegend hin, woher der König kommen mußte; nichts entging meiner sorgfältigen Beachtung. Aber vergebens glaubte ich dann und wann in der Ferne ein Geräusch zu vernehmen, welches das Anzeichen eines jener Befreiungsversuche sein konnte, die man mir gestern verkündet hatte.
    Ich will es gestehen, ich freute mich bei dem Gedanken, daß vielleicht in diesem Augenblicke der König seiner bewaffneten Bedeckung entrissen sei und unter dem Schutze vertrauter Freunde fliehe. Und wenn mich dann die Unwahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses für den Moment beunruhigte, stellte ich mir wieder im Geiste vor, wie das unbeständige und leicht bewegliche Volk, dessen Gefühle sich so schnell ändern, den zum Tode geführten

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