Tagebücher der Henker von Paris
fragte er Charlemagne.
Dieser gab ihm durch ein Zeichen zu verstehen, daß er nichts darüber wisse.
Auf der Plattform des Schafotts angekommen, trat der König auf die Seite, wo er die größten Volkshaufen sah, und gab durch eine Kopfbewegung den Trommlern ein befehlendes Zeichen des Schweigens. Diese hörten einen Augenblick auf, und nur wenige rührten noch die Schlägel.
Trotz des immer noch vorhandenen Lärms sprach der König mit starker Stimme:
»Franzosen, ihr seht euren König bereit, für euch zu sterben. Könnte doch mein Blut euer Glück besiegeln! Ich sterbe ohne Schuld an alledem, dessen man mich angeklagt …«
Er wollte noch weitersprechen, als Santerre, welcher sich an der Spitze seines Generalstabes befand, den Tambouren ein Zeichen gab, worauf deren Trommeln in verstärktem Maße wieder zu rasseln begannen, so daß kein Wort mehr würde verstanden worden sein.
In einem Augenblick war der König auf das verhängnisvolle Brett gebunden, und als das Fallbeil herniederblitzte, konnte er noch die tiefe Stimme des frommen Priesters vernehmen, der ihn bis aufs Schafott begleitet hatte und jetzt folgende Worte sprach:
»Sohn des heiligen Ludwig, steig auf zum Himmel!«
So hat dieser unglückliche Fürst geendet, den tausend entschlossene Menschen in diesem letzten Augenblicke, wo schon, außer unter der bewaffneten Mannschaft, sich ein wahres Mitgefühl zu regen begann, hätten retten können.
Das kleinste Zeichen hätte genügt, um eine Entscheidung zu seinen Gunsten herbeizuführen, denn als mein Gehilfe Gros das unter dem Guillotinenbeil gefallene Königshaupt den Umstehenden zeigte, stießen nur einige Rasende ein Triumphgeschrei aus, die Mehrzahl wendete sich ab, von tiefem Schauder und schmerzlicher Zerknirschung ergriffen.«
Der Bericht, den ich soeben gegeben habe, unterscheidet sich in vielem von anderen, z.B. von dem des Herrn de Lamartine in seiner Geschichte der Girondisten. Aber wie groß auch das Ansehen und die Glaubwürdigkeit eines so hervorragenden Schriftstellers ist, wird sie sich hier doch nicht mit der Genauigkeit eines Mannes messen können, der das Unglück gehabt hat, einen so tätigen Anteil an dem traurigen Drama nehmen zu müssen.
Das königliche Blut, das der Konvent eben vergossen hatte, machte ihn noch mehr trunken.
Der Kopf Ludwigs XVI. hatte einen weiten Abgrund geöffnet, in dessen Tiefe die Häupter derjenigen hinabrollten, die den König unter das Beil der Guillotine geschleppt hatten.
Die Sühnemesse
(Balzac.)
Der Tod Ludwigs XVI. brachte eine gewaltige Erschütterung, eine vollständige Ideenverwandlung bei Charles Henri Sanson hervor. Ich weiß nicht, ob es mir gelungen ist, diesen seltsamen Charakter zum Verständnis zu bringen, der sich eben nur in der Umgebung, worin er sich gebildet, vorfinden konnte.
Charles Henri Sanson war der würdige Enkel von Martha Dubut. Von der frühesten Jugend mit den Ideen und Grundsätzen seiner Großmutter genährt, glaubte er an die Rechtmäßigkeit seines Standes, an seine soziale Mission; er betrachtete sich als eine mit einem furchtbaren Amte bekleidete Magistratsperson, mit einem Amte, welches schwer auszuüben, aber in jeder zivilisierten Gesellschaft dennoch zur Aufrechthaltung der Gesetze und der Ordnung notwendig sei. Aus dieser Überzeugung schöpfte er Mut und Stärke, die grausamen Pflichten zu erfüllen, welche jedenfalls seiner natürlichen Empfindung widerstrebten.
Da er vierzig Jahre lang nur genötigt war, das Schwert des Gesetzes auf die Köpfe schmachvoller Verbrecher fallen zu lassen, so hatte er sich in jenem Gedanken befestigt. Zuweilen hatte die Grausamkeit der Züchtigung, wie bei Damiens, diesen starken Glauben an seinen Beruf erschüttert; in anderen Augenblicken hatte der vornehme Rang der Opfer und die Teilnahme, die ihnen noch nach ihrer Verurteilung gezollt wurde, in der schrecklichen Stunde der Hinrichtung seine Hand zittern oder sein Herz erschauern lassen; denn er hatte sich gefragt, ob dies wohl ein Schuldiger oder ein Unschuldiger sei, den er treffen sollte. Aber das starre Amtsbewußtsein gewann die Oberhand und seine Bedenken und Zweifel verschwanden vor der Gewißheit, daß die Richter und nicht er, das blinde Werkzeug ihres Urteilspruchs, die Verantwortlichkeit über das vergossene Blut zu tragen hätten.
Bei einer solchen Theorie, der man eine strenge Logik nicht wird abstreiten können, mußte er also den Widerwillen, der sich gegen seine Amtsverrichtungen wendete, als ein
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