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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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Ziegeln und diesen lückenhaften Latten verwendeten sich vier christliche Herzen bei Gott für einen König von Frankreich und beteten ohne Leichenzug, ohne Sarg. Es war die reinste Hingebung, eine Handlung aufopfernder Treue ohne alle Nebengedanken. Die ganze Monarchie war in dem Gebete eines Priesters und zweier armen Jungfrauen vertreten; vielleicht war auch die Revolution dargestellt durch diesen Mann, dessen Antlitz zu herbe Gewissensbisse verriet, als daß man nicht an die bitterste Reue hätte glauben sollen.
    Anstatt der lateinischen Worte:
Introibo ad altare Dei
etc. betrachtete der Priester die drei anderen Personen, welche das christliche Frankreich vorstellten, und sprach zu ihnen:
    »Wir treten in das Heiligtum Gottes! …«
    Bei diesen mit feierlicher Salbung gesprochenen Worten wurden die beiden Nonnen und der Fremde von heiligem Schauer ergriffen. Unter den Wölbungen von Sankt Peter zu Rom konnte sich Gott nicht in größerer Majestät zeigen, als jetzt in diesem Asyl des Elends vor den Augen dieser Christen; so wahr ist es, daß zwischen ihm und dem Menschen jede Vermittlung unnütz ist und daß seine Größe in ihm selber liegt.
    Die Inbrunst, welche der Unbekannte fühlte, war aufrichtig. Die Gebete dieser vier Diener Gottes und des Königs wurden aus übereinstimmenden Herzen gesprochen. Die heiligen Worte ertönten wie himmlische Musik inmitten der Stille. Es kam ein Augenblick, wo die Tränen den Unbekannten überwältigten. Dies war beim Pater noster.
    Der Priester fügte folgendes lateinische Gebet hinzu, welches ohne Zweifel von dem Fremden verstanden wurde:
    »Et remitte scelus regicidis sicut Ludovicus eis remisit semet ipse«.
    »Und verzeihe den Königsmördern, wie Ludwig XVI. ihnen selber verziehen hat.«
    Die beiden Nonnen bemerkten, daß zwei große Tränen die männlichen Wangen des Unbekannten hinabrollten und auf den Boden fielen.
    Die Totenmesse wurde gelesen. Das
Domino salvum fac regem
(Gott segne den König), mit leiser Stimme gesungen, rührte diese treuen Royalisten. Sie dachten daran, daß das königliche Kind, für welches sie in diesem Augenblick den Allerhöchsten baten, gefangen in den Händen seiner Feinde sei.
    Nachdem der Trauergottesdienst beendigt war, gab der Priester den beiden Nonnen ein Zeichen, worauf sich dieselben zurückzogen. Als er sich mit dem Unbekannten allein sah, trat er mit sanfter und trauriger Miene zu ihm und sprach in väterlichem Tone:
    »Mein Sohn, wenn Sie Ihre Hände in das Blut des Königs-Märtyrers getaucht haben, so vertrauen Sie sich mir an. Es gibt keinen Fehler, der sich in den Augen Gottes nicht durch eine so rührende und aufrichtige Reue, wie Sie gezeigt haben, auslöschen ließe.«
    Bei den ersten Worten des Geistlichen machte der Fremde unwillkürlich eine Bewegung des Schreckens; dann wurde seine Miene wieder ruhig und er sah den erstaunten Priester fest an.
    »Mein Vater,« sagte er zu ihm in gerührtem Tone, »niemand kann unschuldiger an dem vergossenen Blute sein, als ich.«
    »Ich muß Ihnen glauben!« sprach der Priester.
    Es entstand eine Pause, während welcher er den Büßenden von neuem prüfte. Dann hielt er ihn für eines jener furchtsamen Konventsmitglieder, die ein unverletzliches und geheiligtes Haupt opferten, um das ihrige zu retten, und hob in ernstem Tone wieder an:
    »Bedenken Sie, mein Sohn! um von diesem großen Verbrechen losgesprochen zu sein, genügt es nicht, daß man dabei nicht mitgewirkt habe. Diejenigen, die den König verteidigen konnten und doch ihr Schwert in der Scheide ließen, werden schwere Rechenschaft vor dem Herrn des Himmels abzulegen haben. Oh,« fuhr der Priester fort, indem er ausdrucksvoll das Haupt schüttelte; »eine schwere Rechenschaft! Denn indem sie müßig blieben, wurden sie unwillkürlich die Mitschuldigen dieser entsetzlichen Missetat.«
    »Ihr glaubet,« fragte der Unbekannte erstaunt, »daß eine mittelbare Teilnahme ebenfalls strafbar sei? … Der Soldat, der befehligt wurde, das Spalier zu ziehen, ist also auch schuldig?«
    Der Priester schien unentschlossen.
    Erfreut über die Verwirrung, in welche er diesen Puritaner des Königtums brachte, indem er ihn zwischen das Dogma das passiven Gehorsams, welches nach der Meinung der Anhänger der Monarchie das Militärgesetz beherrschen soll, und das ebenso wichtige Dogma, welches die dem Könige schuldige Ehrfurcht heiligt, trieb, deutete der Fremde das Zögern des Priesters zugunsten seines gequälten Gewissens. Dann, um den

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