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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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alle Gefahr fernzuhalten, ihn von seinen Feinden zu befreien und ihm ein langes und friedfertiges Leben zu gewähren.
    Mit dieser Dankbarkeit, die sich gleichsam jeden Tag erneuerte, verband sich notwendigerweise das Gefühl einer von Tag zu Tag zunehmenden Neugierde. Sie unterhielten sich über die Umstände, welche die Erscheinung des Fremden begleitet hatten. Sie sprachen tausend Vermutungen über ihn aus und durch diese Zerstreuung, deren Veranlassung er war, widerfuhr ihnen eine neue Wohltat. Sie nahmen sich vor, ihn, wenn er seinem Versprechen gemäß zurückkehren würde, um den traurigen Jahrestag des Todes Ludwigs XVI. zu feiern, ihrer Freundschaft nicht entrinnen zu lassen. Diese so sehnlich erwartete Nacht kam endlich.
    Um Mitternacht erscholl der schwere Schritt des Unbekannten auf der alten hölzernen Treppe. Das Zimmer war zu seinem Empfange geschmückt. Der Altar war errichtet. Dieses Mal öffneten die Schwestern die Tür im voraus und beide beeilten sich, die Treppe zu beleuchten. Fräulein von Charost stieg sogar einige Stufen hinab, um ihren Wohltäter früher zu sehen.
    »Kommen Sie,« sagte sie mit gerührter und dankbarer Stimme, »kommen Sie … man erwartet Sie …«
    Der Mann erhob den Kopf, warf einen düsteren Blick auf die Nonne und gab keine Antwort. Es fiel wie eine eiserne Hülle auf sie und sie schwieg. Der Unbekannte trat ein; bei seinem Anblick erstarb der Dank und die Neugierde in aller Herzen. Vielleicht war er weniger kalt, weniger schweigsam, weniger schrecklich, als er diesen Seelen erschien, welche durch ihre inbrünstigen Gefühle zu den Ergüssen der Freundschaft getrieben wurden. Die drei armen Gefangenen sahen ein, daß dieser Mann für sie ein Fremder bleiben wollte: und sie ergaben sich darein. Der Priester glaubte zu bemerken, daß ein Lächeln auf den Lippen des Unbekannten plötzlich schwand, als er sah, daß man Vorbereitungen zu seinem Empfange getroffen hatte. Er hörte die Messe, betete und verschwand, nachdem er die Einladung des Fräuleins von Charost, eine bereitgehaltene Mahlzeit mit ihnen einzunehmen, mit einigen höflichen Worten abgelehnt hatte.
    Bis der katholische Gottesdienst durch den ersten Konsul wieder eingesetzt wurde, feierte man das Sühneamt in geheimnisvoller Weise in der Dachwohnung.
    Als die Nonnen und der Abbé sich ohne Furcht wieder zeigen durften, sahen sie den Unbekannten nicht wieder. Dieser Mann blieb ein Rätsel in ihrem Andenken.
    Die beiden Schwestern fanden bald Hilfe in ihren Familien, von denen einige Mitglieder es durchsetzten, aus der Liste der Emigranten gestrichen zu werden. Sie verließen ihr Asyl, und Bonaparte, der die Dekrete der gesetzgebenden Versammlung ausführte, wies ihnen die Pensionen an, welche ihnen zukamen. Sie kehrten wieder in den Schoß ihrer Familien zurück und setzten ihre klösterlichen Gewohnheiten dort fort.
    Der Priester, der kraft seiner Geburt auf eine Bischofsstelle Anspruch machen konnte, blieb in Paris und wurde Gewissensrat einiger aristokratischer Familien des Faubourg Saint Germain.
    Der Unbekannte in dieser bewundernswerten Erzählung war Charles Henri Sanson. –
Das Revolutionstribunal
Reviers-Mauny, Beaulieu.
    Der Boden des Revolutionsplatzes war noch feucht vom Blute des Königs, als die Klubs und die Gemeinden ungestüm den Tod der Freunde des Königtums forderten.
    Noch an dem Tage, welcher dem Tode des Königs folgte, richtete man einen unglücklichen Eisenkrämer namens Durand hin, dessen Niedergeschlagenheit und Verzweiflung einen seltsamen Gegensatz zu der Fassung und Geistesgegenwart des Monarchen bildeten. Donnerstag, den 24., an dem Tage des Leichenbegängnisses von Lepelletier-Saint-Fargeau, fielen fünf Köpfe auf dem Schafott. Obgleich das Pantheon im theatralischen Pomp wetteiferte, so hatte jenes Schauspiel doch eine außerordentliche Menge Zuschauer nach dem Revolutionsplatze gezogen; bei dieser Hinrichtung zeigten sich zum ersten Male diejenigen Frauen, welche später unter dem Namen der Furien der Guillotine eine so scheußliche Berühmtheit erlangen sollten. Fünf bis sechs Frauen in der ersten Reihe (sie waren zu jener Zeit noch nicht zahlreicher) beschimpften die Delinquenten und vorzugsweise Bertsilly, der bis zum letzten Augenblick seine Unschuld beteuerte.
    Von diesem Tage an ruht sich die Guillotine aus, als hätte sie nötig, Kräfte für die schreckliche Arbeit zu sammeln, die ihr der heftige Zorn des Volkes vorbehält.
    Der Ruf: »Das Vaterland ist in Gefahr!« vom

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