Tagebücher der Henker von Paris
Brief dem Bürger Bougon, Generalprokurator und Departementssyndikus, mitzuteilen. Ich richte denselben aus mehreren Gründen nicht an ihn; zuerst bin ich nicht sicher, ob er sich gegenwärtig in Evreux befindet; außerdem fürchte ich, daß er, von empfindsamer Natur, über meinen Tod sehr betrübt sein könnte. Doch halte ich ihn für einen so guten Bürger, daß er sich mit der Hoffnung auf den Frieden trösten werde; ich weiß, wie er denselben liebt und hoffe, daß ich, indem ich zur Erreichung desselben beitrug, seine Wünsche erfüllte.
Sollten einige Freunde eine Mitteilung dieses Briefes verlangen, so bitte ich Sie, denselben niemandem vorzuenthalten.
Der gebräuchlichen Form gemäß bedurfte ich eines Verteidigers. Ich habe den meinigen von der Bergpartei genommen, nämlich Gustav Doulcet-Pontécoulant; ich dachte mir, daß er diese Ehre ablehnen werde, obgleich es ihn nur wenig Mühe kosten würde. Ich habe auch daran gedacht, Robespierre oder Chabot zu verlangen.
Es ist bewundernswert, daß das Volk mich von der Abtei nach der Conciergerie bringen ließ; das ist ein neuer Beweis für seine Mäßigung. Erzählen Sie das unseren guten Einwohnern von Caen! Diese erlauben sich zuweilen kleine Aufstände, die sich nicht so leicht bewältigen lassen.
Morgen um acht Uhr wird man mich richten. Wahrscheinlich werde ich um Mittag gelebt haben, wie sich die Römer ausdrückten.
Fortan wird man an den Mut der Einwohner von Calvados glauben, da selbst die Frauen von Calvados der Entschlossenheit fähig sind. Übrigens weiß ich nicht, wie die letzten Augenblicke meines Lebens verlaufen werden; und nur das Ende krönt das Werk. Ich brauche keine Gleichgültigkeit über mein Schicksal zu erheucheln, denn bis jetzt empfinde ich nicht die geringste Furcht vor dem Tode. Ich achtete das Leben immer nur nach dem Nutzen, den es dem Gemeinwohl gewährte. Ich hoffe, daß morgen Duperret und Fauchet in Freiheit gesetzt werden. Man behauptet, der letztere habe mich auf eine Tribüne im Konvent geführt. Warum gibt er sich damit ab, Frauen dorthin zu führen? Als Deputierter soll er nicht auf den Tribünen erscheinen und als Bischof dürfte er sich nicht mit Frauen abgeben. Das ist also eine Strafe. Aber Duperret hat sich nichts vorzuwerfen.
Marat wird nicht in das Pantheon kommen; dennoch verdiente er es wohl. Ich beauftrage Sie, die nötigen Stücke zu seiner Leichenrede zu sammeln.
Hoffentlich werden Sie nicht die Angelegenheit der Madame Forbin vergessen. Dies ist ihre Adresse, wenn Sie an dieselbe schreiben müssen:›Alexandrine Forbin in Mandrens, über Zürich, in der Schweiz‹. Ich bitte Sie, ihr zu sagen, daß ich sie von ganzem Herzen liebe.
Ich will noch ein Wort an meinen Vater schreiben. Meinen übrigen Freunden sage ich nichts; ich verlange nur, schnell vergessen zu werden; ihr Kummer würde mein Andenken entehren. Sagen Sie dem General Wimpffen, daß ich der Meinung sei, ich hätte ihm mehr als eine Schlacht gewinnen helfen, indem ich den Frieden ermöglichte.
Leben Sie wohl, Bürger! Ich empfehle mich dem Andenken der Freunde des Friedens. Die Gefangenen in der Conciergerie, weit davon entfernt, mich, wie die Leute auf der Straße, zu beleidigen, scheinen mich im Gegenteil zu beklagen. Das Unglück macht immer mitleidig: dies ist meine letzte Betrachtung.
Corday.«
Ich habe keine Zeile von diesem Schriftstück unterdrücken wollen; augenscheinlich ist dies nicht ein vertraulicher Brief, den ein Freund an einen Freund richtet, die letzte Ergießung eines Herzens, welches zu schlagen aufhören wird, sondern es ist das letzte Vermächtnis von Charlotte Corday.
Sie erschien am 17. vor den Revolutionstribunal. Doulcet de Pontécoulant hatte den Brief nicht empfangen, in welchem Charlotte Corday ihn mit ihrer Verteidigung beauftragte. Er erschien nicht vor dem Gerichtshofe und der Präsident ernannte beim Anfang des Audienztermins von Amtswegen Chauveau-Lagarde zum Verteidiger der Angeklagten.
Die Journale der Bergpartei verraten mitten unter ihren Verwünschungen doch den Eindruck, welchen die sanfte und stolze Festigkeit der Charlotte Corday auf die Richter und die Zuhörer hervorbrachte. »Man hat bemerkt,« sagt Chauveau-Lagarde, »daß alle, Richter wie Zuschauer, die Angeklagte selber für ihre Richterin zu halten schienen, welche die anderen vor ihr höchstes Tribunal berufen habe.«
Folgendes sind nach Chauveau-Lagarde einige Antworten, welche sie dem Präsidenten Montans gab; man glaubt den
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