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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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Unterricht der Einsamkeit und der Sammlung.
    Von Grundsätzen für die Revolution begeistert, begrüßte sie die Morgenröte derselben mit Entzücken; sie machte den Zweck derselben mit allem Eifer aufrichtiger Überzeugung zu dem ihrigen.
    Wie oben erwähnt, wurde die revolutionäre Bedeutung Dantons und Robespierres für die Provinzen durch die düstere Persönlichkeit Marats verdunkelt, dessen Namen man mit allen Mordtaten und Plünderungen in Verbindung brachte.
    Die Entrüstung der jungen Patriotin war zu stark, als daß sie sich mit der Lösung eines politischen Rätsels der Zukunft abgequält hätte. Marat erstickte nicht nur die Republik, sondern er entehrte sie auch; es war also Marat, den der Himmel ihrem Dolche zuwies.
    Der Tod des Volksfreundes wurde mit ruhigem und sanftem Stoizismus entschieden, dessen Größe sich in keinem Tyrannenmörder, den die Geschichte gefeiert hat, wiederfindet. Sie widerstand der Versuchung, ihre Freunde, die Girondisten, ihrem glorreichen Plane Beifall zollen zu sehen; sie vergrub diesen Plan in ihren Busen, wie in ein Grab. Sie verließ Caen, um den Segen ihres Vaters zu holen, um von allem, woran sie in dieser Welt gefesselt war, Abschied zu nehmen, und am 9. Juli stieg sie in die Kutsche, welche sie von Argentan nach Paris bringen sollte.
    Nachdem sie am Donnerstag den 11. gegen Mittag in dieser Stadt angekommen war, stieg sie in der alten Augustinerstraße Nr. 17, im Hotel de la Providence ab, welches ein gewisser Groslier hielt. Diese Reise von achtundvierzig Stunden hatte sie ermüdet. Sie verließ ihr Zimmer nicht, ging um fünf Uhr zu Bett und schlief ein; erst am folgenden Tage um acht Uhr morgens erwachte sie wieder.
    Barbaroux hatte ihr einen Empfehlungsbrief an seinen Kollegen Duperret mitgegeben.
    Am Sonnabend, ehe sie zu der mit Duperret verabredeten Zusammenkunft ging, schrieb sie an Marat ein Billett, worin sie ihn um eine Unterredung bat, und gab dasselbe auf die Post; dann verfügte sie sich in Begleitung des Repräsentanten zu dem Minister. Da Duperret aber wegen seiner Verbindung mit den Geächteten schlecht angeschrieben war, so konnte er die gewünschte Audienz nicht erlangen; er führte Charlotte wieder bis zu dem Garten des Palais Royal, wo er sie verließ. Nun ging sie zu einem Messerschmied und kaufte dort ein langes und scharfes Messer mit Ebenholzgriff; dann kehrte sie nach ihrem Hotel zurück, wo sie Marats Antwort zu finden hoffte.
    Marat war krank. Das beständige Fieber, welches in seinem Blute brannte, artete in einen scheußlichen Aussatz aus, gegen welchen die Mittel der ärztlichen Kunst nichts vermochten; seit einigen Tagen ging er nicht mehr in den Konvent. Charlotte Corday konnte ihn nicht auf dem Gipfel der Berges treffen, wie sie beabsichtigt hatte; es blieb ihr nichts übrig, als ihn in seiner Höhle aufzusuchen. Am Sonnabend den 13. gegen 11 Uhr stellte sie sich zum ersten Male bei Marat ein und wurde nicht angenommen; sie kehrte in ihr Hotel zurück und schrieb für den Fall, daß man ihr wieder eine Unterredung verweigern würde, ein zweites Billett folgenden Inhalts:
    »Paris, am 13. Juli im Jahre II der Republik.
    Dem Bürger Marat.
    Ich habe heute Morgen an Euch geschrieben, Marat. Habt Ihr meinen Brief erhalten? Ich kann es nicht glauben, da man mir Eure Tür verweigerte. Darf ich auf einen Augenblick Gehör hoffen? Ich wiederhole es Euch, daß ich von Caen komme. Ich habe Euch die wichtigsten Geheimnisse für das Wohl der Republik zu enthüllen. Außerdem werde ich um der Freiheit willen verfolgt, ich bin unglücklich: dies wird genügen, um Anspruch auf Eure Achtung zu haben.
    Charlotte Corday.«
    Nachdem sie dieses Billett geschrieben hatte, steckte sie es in die Tasche, verbarg das gekaufte Messer in ihrem Busen, nahm einen Fiaker und ließ sich bis vor die Tür Marats fahren, welcher Nr. 20 in der Rue des Cordeliers wohnte. Sie trug ein weißes, geköpertes und getüpfeltes Hauskleid, auf dem Kopfe einen Hut mit einer dreifachen Randschnur und einer schwarzen Kokarde. Marat war auf das beste bewacht; eine Frau, Catharine Evrard und die Schwester derselben, Simone, wachten über ihn mit der doppelten Sorgfalt der Liebe und des Fanatismus. Die erstere verweigerte hartnäckig der jungen Normannin, welche lange Zeit mit ihr unterhandelte, den Eintritt. Als Marat eine frische, weibliche Stimme hörte und daraus erkannte, daß es die Person sei, welche ihm diesen Morgen geschrieben hatte, befahl er Catharine Evrard in

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