Tagebücher der Henker von Paris
versammelt. Sie bildeten verschiedene Gruppen; einige gingen auf und nieder, andere standen in einem Kreise; alle unterhielten sich sehr lebhaft und wie Freunde, welche eine lange Reise trennen soll. Brulard-Sillery und der Bischof Fauchet plauderten in einer Ecke des Gemaches mit leiser Stimme; Mainvielle schrieb auf seinen Knien.
Auf drei Sessel vor dem Fenster hatte man den Leichnam Valazés gelegt, dessen steife Glieder sich unter der blutigen Decke erkennen ließen.
Als sie das schreckliche Geleit erblickten, stießen sie einen undeutlichen Ausruf aus und mehrere von ihnen umarmten sich.
Der Bürger Nappier rief die Namen auf; jeder der Verurteilten antwortete: »Hier!« Mehrere fügten noch scherzhafte Worte hinzu.
»Anwesend!« sagte Vergniaud, »und wenn Ihr mir versichert, daß unser Blut ausreichen wird, die Freiheit zu befestigen, so seid gegrüßt!«
»Ich liebe keine langen Reden und verstehe es nicht, das Recht und die Gerechtigkeit zu beschimpfen«, rief Ducos, indem er einen Ausspruch Robespierres parodierte.
Als der Bürger Nappier ihn mit groben Worten unterbrach, entgegnete er mit lautem Lachen:
»Nun gut! anwesend!
sans phrases
.«
Anstatt der Antwort ereiferte sich Duperret gegen die Stadt Paris, von welcher er sagte, sie erwürge die besten Patrioten. Man mußte ihm Stillschweigen gebieten.
Brissot war düster. Vergniaud sprach einige Augenblicke nachdrücklich mit ihm. Der Lärm verhinderte zu verstehen, was er sagte, aber man hörte mehrmals die Worte Republik und Freiheit.
Als der namentliche Aufruf beendigt war, riefen alle mit gleicher Begeisterung:
»Es lebe die Republik!«
Der Anblick dieser Männer, deren letzter Ruf die Republik verherrlichte, in deren Namen man sie zum Tode schickte, wird ewig unvergeßlich bleiben. Mein Vater wiederholte mir oft, indem er mir diese Einzelheiten erzählte, daß keine Hinrichtung ihn so tief gerührt habe.
Der Anzug begann; während dieser verhängnisvollen Zurichtung behielten die Girondisten fast alle die Ruhe und Heiterkeit ihrer Fassung. Mein Großvater und mein Vater machten ihnen das Haar zurecht, die Gehilfen banden ihnen die Hände. Sie nahmen ihren Platz ohne erkünstelten Mut, ohne Prahlerei ein und setzten ihre Unterhaltung fort, als ob diese Vorbereitungen nicht zum Tode führen sollten.
Fauchet und Sillery waren nach dem Aufrufe in ihre Ecke zurückgekehrt; sie schienen in ihre Unterhaltung so vertieft, daß man sie zweimal rufen mußte. Fauchet war sehr niedergeschlagen, Sillery im Gegenteil fast heiter in seiner Ruhe. In dem Augenblick, als Duprat den Platz auf dem Sessel einnehmen sollte, näherte sich Mainvielle, der in der Hand noch den eben geschriebenen Brief und die Feder hielt; er stellte beides seinem Gefährten zu, indem er zu meinem Großvater sagte:
»Du wirst wohl erlauben, daß wir einige Augenblicke unseren Familienangelegenheiten widmen; übrigens kannst du mir an seiner Stelle das Haar zurecht machen.«
Darauf fügte Duprat einige Worte jenem Briefe hinzu, der für eine Frau bestimmt war, die beide geliebt hatten.
Ducos kam zuletzt an die Reihe und mein Vater schnitt ihm das Haar ab, während Fonfrêde vor ihm stand.
Bei dieser Operation blieben einige Haare zwischen der Schere sitzen und wurden ausgerissen; Ducos konnte ein Zeichen des Schmerzes nicht zurückhalten und sagte nachher, während die Gehilfen ihn banden, zu meinem Vater:
»Es ist zu hoffen, daß deine Guillotine besser schneidet als deine Schere!«
Als alle fertig waren, gab mein Großvater das Zeichen zum Aufbruch; ein Teil der Gendarmen war schon die Stufen zum Torweg hinuntergeschritten; die Verurteilten drängten sich um Vergniaud und schienen ihm die Ehre des Zugführers zu gönnen; dieser aber wendete sich um und deutete auf den Leichnam Valazés, den zwei Gehilfen auf eine Bahre legten.
»Dies ist unser Ältester im Tode,« sagte er in ernstem Tone, »er soll uns den Weg zeigen.«
Auf seine Worte machten alle Platz und der Leichnam wurde durch ihre Reihen getragen.
Die fünf Karren warteten.
Man hatte noch nicht hundert Schritte auf dem Kai zurückgelegt, als mein Großvater sah, daß sein neuer Gehilfe André Dutruy oder vielmehr Jacot seine neue Carmagnole, worunter er ein Seiltänzerkostüm trug, ablegte, sich rittlings auf das Pferd setzte und equilibristische Kunststücke machte, während er von Zeit zu Zeit elende Spottreden über die Verurteilten hören ließ. Charles Henri war darüber empört und stieg von dem Wagen, um
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