Tagebücher der Henker von Paris
Vater, der sich herunterbückte, um ihn zu stützen:
»Ach, wenn doch deine Guillotine uns hätte mitsammen töten können, meinen Bruder und mich!«
Er sprach noch in dem Augenblick, als das Messer fiel. Es waren nur noch sechs auf dem Platze, aber ihr Gesang erscholl noch immer. Gensonné, Mainvielle, Boyer-Fonfrêde und Duchatel kamen an die Reihe; die Zahl der Lebenden war auf zwei zusammengeschrumpft: Vergniaud und Vigée.
Einige Geschichtschreiber berichten, daß Vergniaud zuletzt gestorben sei, dies ist ein Irrtum. Nach dem Vorfalle während der Verhandlung hatte man gehofft, daß einige der Girondisten in der letzten Stunde den kraftvollen Mut, der ihren Ruf erhöhte, verleugnen würden. Es wird auch versichert, daß aus dieser Zeit das Verbot herrühre, den Verurteilten eine Herzstärkung mitzugeben. Man hat gesehen, wie die heldenmütige Phalanx aus der Gemeinsamkeit ihrer Empfindungen den gemeinsamen Mut schöpfte. Die Stärksten wie die Furchtsamsten zeigten sich gleich stark in der Todesbegeisterung. Der Gerichtsdiener Nappier, welcher hier das schreckliche Amt des Ordners versah, zeigte eine Bestürzung, die an Entsetzen grenzte. Als Vergniaud und Vigée allein übrig waren, wurde die Stimme des letzteren, der seinen Aufruf erwartete, schwächer; Vergniaud blickte ihn an und sogleich begann er mit neuer Kraft:
»
Plutôt la mort que l'esclavage
!«
Nappier rief Vergniaud auf. Er glaubte ohne Zweifel, daß Vigée, wenn man ihn des stützenden Freundes, des Vorbildes jener erhabenen Ergebung, welche der Mann von Genie vor dem Tode bekundet, beraubte, seine Festigkeit verlieren und die schreckliche Hekatombe mit einer Ohnmacht endigen würde. Dem war nicht so. Als Vergniauds Leichnam zu denen seiner Freunde gelegt war, zeigte sich Vigée den Scharfrichtern mit dem Stolz eines Siegers. Auf das Brett gebunden, den Kopf mit dem Halsbande befestigt, sang er noch immer; als der Gesang aufhörte, war der letzte der Zwanzig tot.
Dreiundvierzig Minuten hatten hingereicht, um die Republik ihrer Gründer zu berauben und Frankreich in Trauer über die edelsten seiner Kinder zu versetzen.
Am Abend beklagte sich Charles Henri Sanson bei Fouquier über die unschickliche Aufführung von Huberts Schützling; in der Hoffnung, sich dieses Elenden entledigen zu dürfen, suchte er darzulegen, daß, wenn einer der Scharfrichter die Verurteilten beleidigte, dadurch das Volk für die letzteren Partei ergreifen könnte. Fouquier nahm die Klage meines Großvaters als geringfügig auf und warf ihm zornig vor, daß er in den Rücksichten, die er gegen einzelne Verurteilte gezeigt, Mangel an Bürgersinn bekunde.
Die Folge dieser Unterredung war, daß André Dutruy bei dem Personal des Schafotts verblieb; die Grimassen des erbärmlichen Jacot wirkten fortan bei allen wichtigen Hinrichtungen mit, und zwar zum großen Ergötzen des Pöbels.
Der Herzog von Orleans
Ebene und Berg.
Seit dem Tode der Girondisten beschleunigen und vermehren sich die Hinrichtungen; der wahrhafte Schrecken hat seinen Anfang genommen; bis dahin bestand er nur in der fanatischen Begeisterung einiger Rasender, jetzt wird er das Haupttriebwerk der Regierungsmaschine.
Der 16. Brumaire sah den Tod des berühmtesten Urhebers der Revolution, Louis Philippe Josephs von Orléans. Vergebens hatte er seinen Titel mit dem bezeichnenden Namen Egalité vertauscht, vergebens der Revolution ein anderes schreckliches Pfand bewilligt, indem er für den Tod seines Königs und Verwandten stimmte; es war ihm nicht gelungen, das Unrecht seiner hohen Geburt und seiner unschätzbaren Reichtümer vergessen zu machen. Den Royalisten mit Recht gehässig, konnte es nicht fehlen, daß er für die Republikaner ein Gegenstand der Furcht und Verlegenheit wurde. Die Girondisten wollten nicht glauben, der Patriotismus sei der einzige Beweggrund, daß sich ein Prinz von Geblüt, obgleich er zum Hofe gehörte, zu der Opposition schlug; sie gaben das Bündnis einer kundbaren Unsittlichkeit mit der reinsten Bürgertugend, der Uneigennützigkeit, nicht zu. Seit der Wiedervereinigung des Konvents hatten sie niemals aufgehört, ihn als Prätendenten zu behandeln. Die Bergpartei ihrerseits merkte, daß die Anwesenheit eines Bourbon in ihren Reihen ihren Feinden stets Veranlassung zum Argwohn und zu Beschuldigungen geben würde; sie zögerte daher nicht, ihn bei der ersten Gelegenheit zu opfern. Diese Gelegenheit lieferte Dumouriers Abfall. Am 7. April wurde Egalité verhaftet und am 12. nach
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