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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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und der Ankläger trug auf Todesstrafe an.
    In diesem Augenblick entsteht eine große Bewegung unter den Girondisten. Brissot läßt sein Haupt auf die Brust sinken; Gensonné verlangt das Wort, um über die Anwendung des Gesetzes zu sprechen; Boileau wirft seinen Hut in die Höhe und ruft: »Ich sterbe unschuldig!« Sillery wirft seine Krücke weg mit den Worten: »Dieser Tag ist der schönste meines Lebens!« Boyer-Fonfrêde umarmt Ducos, seinen Jugendfreund und Schwager, indem er spricht: »Mein Freund, ich habe dich getötet!« Faucher und Duprat sind niedergeschlagen, aber Carra behält seine erhabene Miene; Lassource richtet einige Worte an die Geschworenen, welche in dem Tumult verhallen; Vergniaud bewahrt die bewundernswerte Heiterkeit, die er während der Verhandlungen gezeigt hat; dann erheben sich alle in einem gleichzeitigen Antriebe und rufen: »Wir sind unschuldig! Es lebe die Republik!« In diesem Augenblicke übertönt ein Todesschrei alle anderen Rufe, man hört eine Stimme: »Ich sterbe!« Der Vorsitzende befiehlt den bestürzten, starr dastehenden Gendarmen, die Angeklagten abzuführen. Diese stimmen die Marseiller Hymne an; während sie sich entfernen, ertönt noch lange unter dem Gewölbe des Gerichtssaales der Refrain ihres Gesanges.
    Ein einziger war ihnen nicht gefolgt und blieb unbeweglich auf seinem erhöhten Platze ausgestreckt; es war derjenige, der gerufen hatte: »Ich sterbe!« Es war Dufriche-Valazé, der sich einen Dolch in die Brust gestoßen hatte.
    Dieser unbeschreibliche Auftritt hatte alle erschüttert. Camille Desmoulins, welcher der Sitzung beiwohnte, verhüllte sein Gesicht mit den Händen und entfloh, ausrufend: »Die Unglücklichen! Ich, mein entschleierter Brissot, ich habe sie getötet!« Der Oberste der Geschworenen, Antonnelle, war bleich wie ein Gespenst; Fouquier allein blieb unerschütterlich; mit fast sicherer Stimme stellte er den Antrag, daß der Leichnam Valazés, dessen Tod die Gerichtsärzte festgestellt hatten, in den Karren gelegt werden sollte, der seine Mitschuldigen zur Richtstätte führen würde, damit er nach ihrer Hinrichtung in demselben Grabe bestattet werde, wie seine verurteilten Genossen.
    Die näheren Umstände des Prozesses waren notwendig zur klaren Darstellung meiner Erzählung, aber jetzt will ich mich darauf beschränken, die letzten Augenblicke dieser Opfer, berühmt unter den berühmtesten, in ihren kleinsten Einzelheiten mitzuteilen. Um eine Vorstellung von der letzten Unterhaltung dieser Männer zu geben, welche Frankreich niemals genug bedauern kann, werde ich einige Seiten aus den Memoiren von Riouffe, der sich mit ihnen in der Conciergerie befand, entlehnen; die Hauptzüge ihrer Physiognomie sind darin mit Meisterhand gezeichnet.
    »Bei diesen berühmten Namen wird die Neugierde rege, ich besitze aber geringe Mittel, um dieselbe zu befriedigen; ich kam erst zwei Tage vor ihrer Verurteilung an, gleichsam, um ihrem Tode beizuwohnen … Sie waren alle ruhig, ohne Prahlerei, obgleich keiner sich durch die Hoffnung mehr täuschen ließ. Ihre Seelen befanden sich in einer so erhabenen Stimmung, daß es unmöglich war, sie mit den Gemeinplätzen gewöhnlicher Tröstungen anzureden. Brissot, ernst und nachdenklich, hatte die Haltung eines Weisen, der gegen das Unglück kämpft, und wenn sich Unruhe in seiner Miene zeigte, so sah man wohl, daß dieselbe allein dem Vaterlande galt. Gensonné, in sich selbst zurückgezogen, schien zu fürchten, daß er seinen Mund besudle, wenn er die Namen seiner Mörder ausspräche. Er äußerte kein Wort über seine Lage, aber allgemeine Betrachtungen über das Glück des Volkes, für das er die herzlichsten Wünsche aussprach. Vergniaud, bald mehr, bald weniger ernst, sagte eine Menge scherzhafte Verse aus dem Gedächtnis her und entzückte uns zuweilen durch einzelne Wendungen jener erhabenen Beredsamkeit, welche bereits für die Welt verloren war. Was Valazé betrifft, so hatten seine Augen etwas unbeschreiblich Göttliches im Ausdruck. Ein sanftes und heiteres Lächeln wich nicht von seinen Lippen, er genoß schon im voraus seinen ruhmwürdigen Tod. Man sah ihm an, daß er frei war und in einem großen Entschluß die Bürgschaft für seine Freiheit gefunden hatte. Ich sagte einige Male zu ihm: »Valazé, Ihr spitzt Euch auf einen schönen Tod, aber man wird Euch bestrafen, indem man Euch freispricht!« Am letzten Tage, ehe er nach dem Gerichtshof ging, kehrte er wieder um und reichte mir eine Schere, die er

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