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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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Dutruy wegzujagen; dieser verweigerte aber den Gehorsam; die Wütenden, welche neben dem Wagen herliefen, sogar die Gendarmen nahmen Partei für den Seiltänzer, und mein Großvater mußte unter lautem Spottgeschrei wieder auf seinen Posten zurückkehren.
    Der Ruf: »Es lebe die Republik!« ließ sich allein auf dem Wege hören und verbreitete sich unter den dichten Massen, durch welche der Zug sich bewegte. Mainvielle und Duprat wiederholten mit der Menge: »Es lebe die Republik!« Nur auf zwei oder drei Punkten mischte sich mit diesem Rufe der: »Tod den Verrätern!« Die Girondisten hörten ihn ohne Zorn; einmal antwortete eine Stentorstimme vom vierten Wagen herab: »Die Republik werdet ihr nicht bekommen!« Vergniaud, hinter welchem mein Vater stand, hörte diesen Ruf und sprach:
    »Ja, sie werden sie erhalten; sie kommt uns teuer genug zu stehen, daß wir wenigstens noch die Hoffnung, sie ihnen zu hinterlassen, mit in das Grab nehmen können!«
    Ihre Fassung verlor sich nicht einen Augenblick. Vergniaud, der ernst und gesammelt erschien, suchte die düsteren Ahnungen Brissots zu verscheuchen, der ebenfalls zu glauben schien, daß die Freiheit sie nicht überleben werde. Ducos und Boyer-Fonfrêde unterhielten sich halblaut; über die Wangen des letzteren sah mein Vater Tränen herabrollen. Die Fassung der Verurteilten auf den übrigen Karren war nicht weniger würdig und mutig. Zweimal stimmten sie die Marseillaise an: als sie die Conciergerie verließen und in der Straße Saint-Honoré, auf der Höhe der Tuilerien. Der Bischof Fauchet allein schien niedergeschlagen: er betete mit großer Inbrunst; als Christ sah er in der Stunde, die ihm schlagen sollte, nicht allein den Tod, sondern auch den Richter. Ducos' lustige Einfälle schienen im Gegenteil desto lebhafter zu werden, je mehr sich der verhängnisvolle Zeitpunkt näherte. In dem Augenblick, als die Wagen auf dem Revolutionsplatze anhielten, rief Vigée beim Anblick der Guillotine:
    »Dies ist wahrlich die Erbin des letzten Ludwig!«
    »Nicht doch,« entgegnete Ducos achselzuckend, »wie ist es mit dem salischen Gesetz?«
    Als sie alle vor dem Schafott versammelt waren, sagte Ducos wieder:
    »Wie schade ist es, daß der Konvent nicht die Einheit und Unteilbarkeit unserer Personen dekretiert hat!«
    Als man sie vor der Treppe der Guillotine zwischen eine doppelte Reihe von Gendarmen einpferchte, sagten sie sich mit Umarmungen Lebewohl und man hörte, wie sie sich untereinander ermutigten, ohne Furcht und Tadel zu sterben, wie sie gelebt hatten; dann stimmten sie im Chor den Refrain der freien Männer an und das Opfern begann.
    Sillery erschien zuerst auf der Plattform; er ging im Kreise herum und grüßte die Menge viermal, auf jeder Seite des Schafotts. Er litt an den Folgen einer Lähmung und ging mit einiger Schwierigkeit. Als einer der Gehilfen ihm sagte, er möchte sich beeilen, antwortete er:
    »Kannst du nicht warten? Warte ich doch und habe es noch eiliger als du!«
    In dem Augenblick, als das Messer fiel, ertönte der Gesang der Verurteilten mit doppelter Stärke, als hofften sie von der Seele, die eben ihren Aufschwung nahm, noch gehört zu werden. Nach Sillery kam der Bischof Fauchet, den zwei Gehilfen beim Hinaufsteigen der sehr steilen Stufen unterstützen mußten; dann Carra, Lesterpt-Beauvais, Duperret und Lacase.
    Charles Henri Sanson leitete die Hinrichtung. Der erste Gehilfe Fermin stand am Rammblock; mein Vater überwachte die Wegführung der Leichname, welche man zu Zweien in die hinter der Guillotine bereitstehenden Körbe warf. Nachdem aber sechs Köpfe gefallen, waren die Körbe und das Fallbrett so mit Blut überschwemmt, daß die Berührung dieses Blutes für die folgenden viel schrecklicher sein mußte, als der Tod selber. Charles Henri Sanson befahl zweien Gehilfen, mehrere Eimer Wasser auszugießen und die Stücke nach jeder Hinrichtung mit einem Schwamme abzuwaschen.
    Die Reihen der Verurteilten begannen sich zu lichten. Ihr Gesang verlor an Nachdruck, ohne an Kraft zu verlieren; unter allen diesen männlichen und festen Stimmen unterschied man deutlich die Lehardys, welche alle anderen übertönte.
    Boileau, Antiboul, Gardien, Lasource und Brissot stiegen der Reihe nach auf das Schafott; Lehardy rief, als man ihn auf das Fallbrett band, dreimal: »Es lebe die Republik!« Nach ihm wurde Duprat hingerichtet. Ducos umarmte, ehe er seine Freunde verließ, noch einmal Fonfrêde; als er die Treppe hinaufstieg, sagte er zu meinem

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