Tagebücher der Henker von Paris
dessen Miene den Ausdruck des Adels trug. Als ihm einer der Gehilfen das Haar abschneiden wollte, nahm er die Perücke ab, die sein kahles Haupt bedeckte, und antwortete: »Diese erspart mir jene wesentliche Förmlichkeit.« Als der Herzog von Orleans, der ihm bis dahin den Rücken zugekehrt hatte, aufstand, erkannte ihn Herr von Laroque; ein lebhafter Unwille zeigt sich auf dem Antlitz des alten Edelmannes und er sprach mit lauter Stimme zum Prinzen:
»Mein Leben tut mir nicht leid, da der Verderber meines Vaterlandes die Strafe für seine Verbrechen erhält; aber ich muß Ihnen gestehen, gnädiger Herr, daß es mich demütigt, mit Ihnen auf einem und demselben Schafott sterben zu müssen.«
Der Herzog von Orléans wendete den Kopf weg, ohne zu antworten.
Es war vier Uhr nachmittags, als der Zug aus der Conciergerie kam. Den Prinzen verließ seine Kaltblütigkeit nicht, aber sein Mut hatte durchaus keine Ähnlichkeit mit dem der Girondisten und vieler anderer Opfer; seine Züge zeigten Gleichgültigkeit und eher Ekel, als männliche Entschlossenheit. Diese Unerschütterlichkeit eines entnervten Geistes, eines übersättigten Herzens blieb weit zurück hinter der heldenmütigen Festigkeit eines Mannes, der von einer politischen Meinung, welcher Art sie auch sei, wirklich überzeugt war; der unberühmte Edelmann, der ihn im Saale der Toten mit so harten Worten angeredet und jetzt an seiner Seite ohne Verstellung, aber auch ohne Schwäche betete, stellte viel besser die wahre Größe der menschlichen Seele dar.
Der Führer des Zuges ließ die Karren vor dem Palais Egalité halten, auf dessen Vorderseite man die mit großen Buchstaben geschriebenen Worte »Nationaleigentum« las. Der Prinz verstand wohl, aus welcher Absicht man hier Halt machte. Der Herzog von Orleans schaute einen Augenblick auf die Wohnung seiner Väter, ohne daß man die Gefühle seines Innern ergründen konnte; dann wendete er die Augen verächtlich weg.
Herr von Laroque wurde zuerst hingerichtet; er zeigte eine gewisse Absichtlichkeit, als er seinen Gefährten und selbst dem armen Handwerker Lebewohl sagte, aber kein Wort an den Herzog von Orleans richtete. Gondier war der zweite Hingerichtete, dann folgte der General Coustard und endlich der unglückliche Brousse. Der Prinz sah diese vier Köpfe, ohne Rührung fallen; dann stieg er auf das Schafott und blickte mit stolzer und hochmütiger Miene und mit Achselzucken auf die Menge, die ihn mit spöttischem Geschrei verfolgte; vielleicht erinnerte er sich, daß dies dieselben Pariser waren, welche im Jahre 1789 seine lorbeergekrönte Büste im Triumphe umhergetragen hatten. Nachdem die Gehilfen ihm den Frack ausgezogen hatten, wollten sie ihm auch die Stiefel ausziehen; er machte sich aber aus ihren Händen los und ging allein nach dem verhängnisvollen Brett, indem er die Worte sprach: »Das ist nur Zeitverlust, ihr könnt mir die Stiefel viel leichter ausziehen, wenn ich tot bin; beeilen wir uns!«
Einen Augenblick später fiel das Haupt dieses unglücklichen Prinzen unter dem wilden Beifallsjauchzen einer blödsichtigen Menge, welche die Sühne in gleicher Weise begrüßte, wie sie das Verbrechen gegrüßt hatte.
Ebene und Berg
Madame Roland
Am 17. Brumaire fanden sechs Hinrichtungen statt; die Hingerichteten waren alle Munizipalbeamte aus dem Flecken Pont de Cé und des Einverständnisses mit dem Rebellen der Vendée überwiesen.
Diesen Unglücklichen folgte aber sehr bald ein berühmteres Opfer. Am 31. Mai verhaftet, hatte Madame Roland am 11. Brumaire ihr erstes Verhör bestanden und erschien am 18. vor dem Revolutionstribunal.
Madame Roland war die Seele der Gironde gewesen; ihr großer Charakter, die Grazie ihres Geistes und ihre erhabenen Ansichten hatten ihr einen bedeutenden Einfluß nicht allein auf ihren Gemahl, sondern auch auf die bedeutenden Männer, die sich in ihren Salons versammelten, gesichert. Diese Einmischung einer Frau in die Politik hatte sowohl in der Presse, wie im Schoße des Konvents heftigen Zorn erregt. Der satirische Geist der Madame Roland und ihre wohlbegründete Verachtung der ehrgeizigen Mittelmäßigkeiten trugen dazu bei, die Zahl ihrer Feinde zu vermehren und den Haß derselben zu steigern. Diese Feinde wurden vollends unerbittlich, als sie sahen, daß eine Frau, die sich durch ihre Überlegenheit gehässig machte und zu gleicher Zeit die letzte und rührendste Persönlichkeit von der gemäßigten Partei war, mit einem Streiche gefällt werden konnte.
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