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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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Mitteilungen, die ich meinem Vater verdanke, welcher der Hinrichtung des ehemaligen Maires von Paris ebenfalls beiwohnte.
    Jean Sylvain Bailly wurde am 15. September 1736 zu Paris geboren. Er war der Sohn des Jacques Bailly, des Aufsehers der königlichen Gemäldegalerie, und hatte ausgezeichnete Maler zu Ahnen. Aus jugendlicher Neigung hatte er sich mit der Literatur beschäftigt. Sein erstes Werk war eine Tragödie, betitelt Clotar, deren Hauptepisode, einem sonderbaren Zufall nach, den Tod eines Palastaufsehers behandelt, der von dem Volke massakriert wird. Darauf hatte er wissenschaftliche Briefe verfaßt und die Denkschrift über das Licht der Trabanten, welche er im Jahre 1771 veröffentlichte, wies ihm einen Rang unter den ausgezeichnetsten Astronomen an. Im Jahre 1775 erschien der erste Band seiner Geschichte der alten und neueren Astronomie und 1787 die drei Bände seiner Geschichte der indischen und orientalischen Astronomie. Als Mitglied der drei französischen Akademien und Verfasser zahlreicher philantropischer Denkschriften war Bailly der Wahl seiner Mitbürger ebensowohl durch seinen wissenschaftlichen Ruf wie durch seine Freisinnigkeit empfohlen. Als Deputierter von Paris in der Nationalversammlung, die ihn zum Präsidenten wählte, führte er den Vorsitz bei der berühmten Sitzung im Ballhause. Am 16. Juli 1789 zum Maire von Paris ernannt, nahm er diese gefahrvolle Ehrenstelle mehr aus Patriotismus als aus Klugheit an; seine Volksbeliebtheit verblendete ihn; er glaubte, dieselbe sei so fest, daß ihm seine neue Amtstätigkeit dadurch erleichtert würde, erkannte aber sehr bald, daß diese Popularität ihm nicht mehr folgte, als er die Rolle eines Führers zu spielen begann. Als aufrichtiger Konstitutioneller nahm er die Verantwortlichkeit für das blutige Einschreiten auf dem Bundesfelde auf sich. Die beiden am Morgen begangenen Mordtaten, der Schuß, der auf den Adjutanten Lafayettes gerichtet wurde, die Befehle der Nationalversammlung, die sich in bezug auf die vorläufige Absetzung des Königs für unumschränkt erklärte, rechtfertigten die Verkündigung des Kriegsgesetzes; außerdem schien es erwiesen, daß die Füsillade, welche so bejammernswerte Erfolge hatte, zu jenen Ereignissen gehörte, welche die Parteien zu ihrem Vorteil ausbeuten, ohne jemals einzugestehen, daß sie dieselben verschuldeten, und daß der Befehl, auf die Menge, welche die Stufen des Altars des Vaterlandes besetzt hielt, zu schießen, Bailly nicht zugeschrieben werden kann. Wie es auch um seine Unschuld stehen mochte, so gaben doch am folgenden Tage tausend Stimmen in der Presse und die Stimmen, welche von den Tribünen der Jakobiner erschollen, den armen Gelehrten dem Hasse und der Verachtung des Volkes preis. Einer der Gemäßigtsten schrieb, indem er sich an dem Maire von Paris wendete:
    »Dieser Tag wird dir bis zum letzten Tage deines Lebens Gift bereiten!«
    Bailly bot seine Entlassung an, welche aber abgewiesen wurde; erst in den ersten Tagen des November gelang es ihm, sich seines Amtes zu entledigen. In dem Prozeß der Königin trat er als Zeuge auf und Hermans Sprache und Haltung ließen ihm keinen Zweifel über sein nahes Geschick.
    In der Tat erschien er am 19. Brumaire seinerseits vor dem Tribunal. Das Gemetzel auf dem Marsfelde war nicht der einzige Beschwerdepunkt, welchen die Anklage gegen Bailly hervorhob; sie warf ihm noch vor, die Sieger der Bastille untereinander aufgereizt zu haben, indem er die französische Garde vermocht habe, die Dekoration, womit das Dekret vom 19. Juni 1790 sie beehrte, abzulegen; sie beschuldigte ihn endlich, im Einverständnis mit Lafayette die Flucht des Königs nach Varennes begünstigt zu haben. Die Abgeschmacktheit dieser Erdichtungen, welche sich bereits in den Verhandlungen bei dem Prozeß der Marie-Antoinette offenbarte, braucht hier nicht weiter bewiesen zu werden. Eine große Anzahl Zeugen wurden gehört; alle belasteten den Angeklagten, doch ließ sich nicht verkennen, daß die Mehrzahl von ihnen zu gleicher Zeit ein Zeugnis ihres eigenen Hasses gegen denselben ablegten.
    Das Verhör währte bis zum späten Abende und wurde am nächsten Tage wieder aufgenommen. Als Bailly mit Einstimmigkeit zum Tode verurteilt wurde, hörte er den Urteilsspruch mit der Festigkeit eines Weisen.
    F. Arago erzählt in seiner Lebensbeschreibung Baillys, derselbe habe, als man ihn in sein Gefängnis zurückgeführt, seinen Neffen zu einer Partie Pikett aufgefordert und in der Mitte des

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