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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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Spiels lächelnd die Worte gesprochen:
    »Wir wollen einen Augenblick anhalten, mein Freund, und eine Prise Tabak nehmen; morgen werde ich dieses Vergnügens beraubt sein, da man mir die Hände auf den Rücken gebunden haben wird.«
    Das Urteil enthielt die Bestimmung, daß Bailly auf dem Schauplatze des Verbrechens, welches seine Verurteilung begründete, hingerichtet werden sollte.
    Ich habe bereits gesagt, daß der Scharfrichter sich jeden Tag nach der Kanzlei oder zum öffentlichen Ankläger begab, um Befehle zu empfangen; dorthin ging er am 20. Brumaire, als er dem Gerichtsdiener auf einem der Flure begegnete, der mit einem Geschworenen namens Chrétien plauderte. Dieser rief ihm zu: »Es gibt heute nichts zu tun!« und schickte ihn zurück, ohne ihn mit Vorkehrungen für den folgenden Tag zu beauftragen. Erst am 21. um neun Uhr morgens erhielt Charles Henri den Befehl, die Guillotine abbrechen und nach dem Bundesfelde bringen zu lassen.
    Er bedurfte einiger Zeit, um seine Leute zu sammeln, so daß es schon zehn Uhr vorüber war, als jene nach dem Revolutionsplatze aufbrachen.
    Fouquier-Tinville hatte zur Aufstellung des Schafotts den Raum zwischen dem Altar des Vaterlandes und dem Gros-Caillou bezeichnet, das heißt denselben Platz, welchen die Truppen, die auf das Volk geschossen hatten, besetzten. Mein Vater übernahm es, das Todesgerät wegbringen und wieder aufstellen zu lassen; mein Großvater teilte ihm die Instruktionen mit und begab sich in die Conciergerie, wo er gegen halb zwölf Uhr anlangte. In dem Augenblick, als er eintrat, begegnete er Hébert, welcher herauskam und ihn grüßte. Bailly wurde bald darauf in das Vorzimmer der Kanzlei geführt. Es ist sehr wahr, was Franz Arago berichtet, daß nämlich die Volksmenge nicht mit den Mißhandlungen begann, welche dem unglücklichen Gelehrten einen so bitteren Todeskampf verursachten. Die Kerkermeister der Conciergerie, die sich gewöhnlich grob und zuweilen sogar viehisch gegen die Gefangenen benahmen, behandelten Bailly mit einer Roheit, die sich nur aus den ihnen erteilten Befehlen erklären läßt. Einer von ihnen nahm den Ton eines anmeldenden Bedienten an und rief in dem Augenblick, als er in das Kanzleizimmer trat:
    »Herr Bailly, ehemaliger Schlächter des ehemaligen Tyrannen!«
    Ein anderer stieß ihn, als er sich niederbückte, um seine Strumpfbänder festzubinden, so heftig, daß er beinahe auf den Rücken gefallen wäre, und rief einem dritten seiner Kameraden zu:
    »Da, nimm du den Bailly!«
    Dieser stieß ihn wieder dem ersteren zu und in dieser Weise warfen sie ihn eine Zeitlang unter den unanständigsten Späßen hin und her.
    Bault und der Gerichtsschreiber Nappier wohnten diesem grausamen Auftritte bei. Charles Henri fragte Bault, wie er ein solches Betragen seiner Untergebenen dulden könne, worauf Bault die Achseln zuckte und antwortete:
    »Was soll ich dabei tun!«
    Der Gerichtsschreiber lachte zustimmend.
    Jetzt fiel meinem Großvater ein, daß ihm wenige Augenblicke vorher Hébert begegnet war und daß dieser wahrscheinlich von dem Vorgefallenen Kenntnis habe. Er täuschte sich nicht, denn Bault gestand ihm späterhin, daß der Gemeindesubstitut diese Männer gegen Bailly aufgehetzt habe.
    Als Charles Henri sah, daß der Unglückliche auf dieser Welt keine andere Hilfe zu erwarten habe als den Tod, trieb er seine Gehilfen an, sich des Verurteilten zu bemächtigen und ihm die Hände zu binden.
    Die Grausamkeit seiner Kerkermeister hatte den Mut des berühmten Gelehrten nicht erschüttert; mit seiner festen Ruhe vereinte sich noch eine besondere Gutmütigkeit. Den unwürdigen Späßen seiner Kerkermeister hatte er eine unerschütterliche Sanftmut entgegengesetzt und sich damit begnügt, mehrere Male mit leiser Stimme zu sagen:
    »Ihr tut mir wehe!«
    Als die Gehilfen ihn seinen Verfolgern entrissen, ordnete er sein Hemd, indem er, lächelnd sagte:
    »Ich bin ein wenig zu alt für solche Spiele.« Als das Ankleiden beendet war, und mein Großvater ihn ersuchte, seinen Rock anzuziehen, weil der Morgen kalt sei, antwortete er:
    »Fürchtet ihr denn, daß ich den Schnupfen bekommen könnte?«
    Thiers erzählt in seiner Geschichte der Revolution, Bailly sei zu Fuß zum Tode geführt worden; dies ist nicht richtig. Der ehemalige Maire von Paris teilte das Vorrecht aller Verurteilten; er wurde, wie sie auf einem Karren zum Schafott befördert.
    Hinten an diesen Karren hatte man eine rote Fahne befestigt, die laut dem Urteilsspruch vor dem

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