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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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Pluviôse. Heut haben wir ehemalige vornehme Damen hingerichtet, die sich fast nicht weniger ruhig zeigten, als der Bürger Montjourdain. Die Bürgerin Marboeuf, welche mit Lebensmitteln Wucher getrieben haben sollte, ermahnte unterwegs ihren Mitschuldigen, den Pächter Payen, mutig zu sterben.
    »Im ganzen, mein armer Freund,« sagte sie zu ihm, »ist es ganz gleich, ob man heute oder nach zwanzig Jahren stirbt.«
    Dieser, bei weitem nicht so entschlossen wie sie, antwortete:
    »Wenn es ganz gleich ist, Madame, so würde es mir doch nach zwanzig Jahren lieber sein.«
    22. Pluviôse. Couthon hatte in Lyon mehr Lärm gemacht als Taten verübt; er drohte, aber seine Drohungen brachten keinen um das Leben, stießen kaum einige Häuser in den Grund. Die Sache änderte sich indessen, als er durch die Bürger Collot und Fouché abgelöst wurde; die Zeitungen waren voll Namen solcher, welche in der befreiten Stadt verurteilt worden waren.
    Collot hatte die Guillotine beseitigt, weil sie ihm nach seiner Meinung nicht eilig genug war; er ließ durch die Kanonen hinrichten und weihte auf diese Weise täglich mehr als zweihundert Menschen dem Tode. Man erzählt sogar, er habe gesagt: »Das macht mehr Lärm als eure Ohrfeigen.«
    1. Ventôse. Heute wurden hingerichtet: Francois Girbaut, ein Kaufmann, der als Fälscher von Assignaten vom Tribunal verurteilt wurde, und ein desertierter Husar, namens Gossenet, der auf die Guillotine schritt, wie andere zur Hochzeit gehen.
    Riouffe führt über Gossenet seltsame Tatsachen an, welche beweisen, wie gleichgültig sich manche Menschen gegen die Schreckensherrschaft zeigen.
    »Als man ihm – sagt er – seine Anklage brachte, nahm er diese kaltblütig in Empfang, rollte sie zusammen, hielt sie an ein Licht und zündete sich eine Pfeife damit an. Einige seiner Gefährten bemerkten ihm jedoch, es sei eine Torheit, in seinem Alter in den Tod zu gehen, wenn man noch so schlagende Beweise für seine Unschuld habe wie er. Gossenet schien sich ihren Vorstellungen zu fügen, aber im Herzen war er zum Sterben bereit.
    Ehe er vor den Gerichtshof ging, aß er Austern, trank weißen Wein und rauchte ruhig, indem er sich mit seinen Gefährten über den Untergang unseres Daseins unterhielt.
    »Das ist noch nicht alles,« sprach er zu ihnen; »jetzt, da wir gut gefrühstückt haben, handelt es sich um das Abendessen und ihr werdet mir die Adresse eines Restaurateurs in der jenseitigen Welt geben, damit ich euch eine gute Mahlzeit zurechtmachen lasse.«
    Als man ihm vor Gericht seine Anklageakte vorlas, sagte er, alle angeführten Tatsachen seien vollkommen wahr, und als ihm sein Verteidiger bemerkbar machte, er sei nicht völlig bei Verstande, antwortete er:
    »Verteidiger von Amts wegen, ich verbiete dir, mich zu verteidigen; man führe mich zur Guillotine!«
    10. Ventôse. Robespierre und Couthon sind krank und die Cordeliers tanzen auf den Tischen; gestern erklärten sie, daß die Bürger Camille, Fabre und andere vom Berge gestürzt werden sollten.
    Seitdem die Guillotine an der Tagesordnung ist, zerbrechen sich die Erfinden den Kopf, sie zu verbessern. Mehr als zwanzig Vorschläge sind dem Komitee unterbreitet; sie waren aber so unsinnig, daß sich von zwanzig derselben nur einer ausführen ließ. Nach dem letzteren sollte sich eine Klappe auf der linken Seite des Fallbeils öffnen und der Körper des Hingerichteten in einen unter der Guillotine stehenden Korb gleiten, so daß die Anhäufung auf der Plattform vermieden wird. Der Bürgerrepräsentant Vouland und zwei Beamte des Komitees wollten dem Versuche beiwohnen. Die Federn waren schlecht imstande und die Sandsäcke, die man auf das Fallbrett gelegt hatte, blieben zweimal zwischen der Klappe stecken. Der Bürger Vouland fragte mich nach meiner Meinung. Ich bemerkte ihm, daß diese Verbesserung große Gefahr mit sich führe, indem, wenn die Klappe sich nicht schneller schlösse, als sie sich öffnete, die Scharfrichter zu gleicher Zeit mit dem Leichname hinunterfallen könnten und dies ein trauriges Schauspiel abgeben würde. Er sagte darauf zu mir:
    »Du hast recht; übrigens würde jetzt dadurch nicht ein Kopf gewonnen werden; man muß ein Mittel suchen, um schneller verfahren zu können.«
    Ich wußte ihm nichts zu antworten und er ging seiner Wege. Wir richteten heute fünf Verurteilte hin.
    18. Ventôse. Heute erschien ein Privatmann, den man an seiner Aussprache für einen Engländer erkannte, in meiner Wohnung und bot mir ohne weitere

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