Tagebücher der Henker von Paris
sie sich fangen lassen, so ist es ihr eigener Fehler, denn das Gerücht geht ganz öffentlich.
9. Germinal. Die Hébertisten wurden durch einen gewissen Laboureau, der 45 Jahre alt ist, sich aber noch Student der Medizin nennt, verkauft und überliefert. Er machte Anzeige von ihrer Verschwörung und behandelte seine ehemaligen Freunde als Schurken. Natürlich hat ihn der Gerichtshof freigesprochen. Vorgestern ließ dieser Laboureau sich bei den Jakobinern huldigen. Legendre, der den Vorsitz führte, umarmte ihn und nahm die Gelegenheit wahr, den Gerichtshof wegen seiner Gerechtigkeit zu beloben. Armer Bürger Legendre, vielleicht bist du nahe daran, diese Gerechtigkeit an dir selber zu erfahren.
11. Germinal. Heute wurden die Bürger Danton, Camille Desmoulins, Lacroir und Philippeaur in ihren Wohnungen verhaftet und nach dem Luxembourg geführt. Gestern und heute wurden sieben Verurteilte hingerichtet, darunter Louis François Delavergne Champlaurier, ehemaliger Kommandant von Longwy, überführt, mit dem Feinde im Einvernehmen gestanden und die Invasion durch Überlieferung des ihm anvertrauten Platzes begünstigt zu haben. Der Prozeß des Delavergne Champlaurier bildet eine der schmerzlichsten Episoden in dieser kläglichen Parodie der Justiz. Der unglückliche Platzkommandant war krank, fast sterbend; man trug ihn auf einer Matratze in das Audienzzimmer. Er hatte eine Art von Verhör zu bestehen; vom Fieber verzehrt, von Schmerzen aufgerieben, antwortete er auf Hermans Fragen nur mit Seufzern. Aber die unerbittlichen Richter waren nicht die geeigneten Leute, um ihm die Wohltat des natürlichen Todes zu lassen, den ihm seine Leiden für die nächste Zeit versprachen; sie verurteilten ihn. In dem Augenblicke, als der Vorsitzende das Urteil aussprach, erscholl in dem Saale der Ruf: »Es lebe der König!« Diese Worte rief die junge Frau des Sterbenden aus. Verhaftet, wurde sie noch in derselben Sitzung verurteilt und erhielt die einzige Gunst, die sie wünschte, bewilligt, nämlich die, den Greis, dem sie ihr Leben gewidmet hatte, zum Schafott begleiten und mit ihm sterben zu dürfen.
12. Germinal. Der Bürger Legendre, Mitglied des Konvents und gegenwärtiger Vorsitzender der Jakobiner, ist nicht mit Danton verhaftet worden, wie das Gerücht gestern verlautete. Richard hat Befehle erhalten. Er hat Beysser, welcher das von Hébert verlassene Zimmer Nr. 4 innehatte, in eine andere Nummer gebracht; außerdem hält er sieben andere Zellen in Bereitschaft. Diese Vorkehrungen zeigen, daß Danton und seine Freunde heute abend, spätestens morgen, dorthin geführt und der Prozeß unmittelbar seinen Anfang nehmen wird. Solche Gefangenen sind nicht bequem zu verwahren.
Heute guillotinierten wir Eulogius Schneider, einen ehemaligen Priester, der das Revolutionsgericht von Straßburg, wo er öffentlicher Ankläger war, zu einer wahren Räuberhöhle gemacht hatte. Er beutete die Schreckensherrschaft zu seinem Nutzen, das heißt zugunsten seiner Laster aus. Er führte in dem ehemaligen Elsaß seinen Gerichtshof, die Guillotine und meinen Kollegen von Straßburg umher, begleitet von einer Truppe Husaren, auf deren Säbeltaschen Totenköpfe gemalt waren; beim Einzug dieser Truppe wurde die Stadt gezwungen, die Häuser zu erleuchten; er erhob Kontributionen wie ein General der Armee, fällte Todesurteile, die man sich nicht die Mühe gab einzuzeichnen, und machte überall, wo er sich aufhielt, Völlerei, Plünderung und Schändung zur Tagesordnung. Eine hübsche Tochter haben, war ein Verbrechen, das die Eltern nur abbüßen konnten, wenn sie ihr Kind dieser wilden Bestie überlieferten. Als einer seiner Freunde, namens Tunck, sich verheiraten wollte, ließ er alle jungen Mädchen von Barr in Beschlag nehmen und ihm zur Wahl stellen. Um dieses gute Werk noch zu vervollständigen, befahl er dem Scharfrichter, in der Umgebung der Guillotine eine Kollekte zugunsten des jungen Ehepaares zu veranstalten. Bald darauf fühlte er selber Lust, sich einen Hausstand zu gründen, und schickte eines Morgens in der Frühe einem Bürger derselben Stadt Barr den bündigen Befehl, ihm seine Tochter, die für jung und schön galt, zuzuführen. Der Schrecken war so groß, daß dieser Unglückliche sich nicht zu weigern wagte. Am nächsten Tage kehrte er nach Straßburg zurück und zog mit dem armen Kinde im Triumphe wie ein König in einer mit sechs Pferden bespannten Kutsche ein. Aber während seiner Abwesenheit war der Repräsentant Saint Just
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