Tagebücher der Henker von Paris
angekommen, und der Schnapphahn aus dem Elsaß war nicht der Mann, jenen in Schrecken zu setzen. Eulogius Schneider wurde an demselben Tage verhaftet, drei Stunden auf seiner eigenen Guillotine ausgestellt und am nächsten Tage nach Paris geschickt, wo das Revolutionstribunal diesmal volles Recht übte.
Dieser so schreckliche Schneider war sehr klein- und demütig in seinen letzten Stunden; doch sah er stark und untersetzt wie ein Stier aus, nicht durch die Höhe seiner Gestalt, sondern durch seine Schulterbreite; sein Gesicht war von Pockennarben entstellt, seine Augen grau und scheu, wenn man ihn ansah; er hatte rotes Haar, im ganzen ein gemeines und abstoßendes Gesicht. Als er in das Vorzimmer der Kanzlei trat, versuchte er zu scherzen und begann einen schlechten Witz über seinen dicken Hals, konnte ihn aber nicht vollenden, denn die Tränen traten ihm in die Augen, und der Spaß erstickte vor Furcht in seiner Kehle. Er erholte sich nicht wieder.
Auf dem Richtplatze rief er mich: »Mein Herr, mein Herr, mein Herr!« ohne zu wissen, was er sprach; die Augen waren ihm schon verschleiert. 13. Germinal. Die Bürger Danton und seine Mitschuldigen sind in der Nacht hinübergeführt worden; ihr Prozeß wird heute vor der Sektion im Saale der Freiheit anfangen. Man hat die der Unterschleife angeklagten Deputierten in dieselbe Anklageakte einbegriffen. Es werden fünfzehn vor dem Tribunal erscheinen.
Der Prozeß
Legendre, Robespierre, St. Just, Chabot, Delaunay, Vazire, Fabre d'Eglantine, Herault de Séchelles, Westermann; »Die Verschwörung der Fremden«; Unruhen in den Gefängnissen; Luzile Desmoulins.
Wie streng man auch das politische Betragen Dantons verurteile, wie wenig Teilnahme man auch dem berühmten Tribunen zolle, so wird man doch anerkennen müssen, daß sein Prozeß der größte Prozeß der Revolutionsperiode ist. Bis jetzt hatte die Revolution nur diejenigen getroffen, die ihr das Recht gegeben hatten, sie als Feinde zu behandeln; jetzt fängt sie an, sich gegen ihre eigenen Eingeweide zu wenden, um sie zu zerreißen. Der mächtige Bund von Willenskraft, Talenten und Genie, welcher sich zum Schlagen gebildet hatte, verfiel nach dem Siege selber in Auflösung; die festesten Säulen des Gebäudes, das die Neuerer auf den Trümmern der alten Gesellschaft aufgerichtet zu haben glaubten, fallen selber zu Boden; dieses Gebäude schwankt künftighin auf seinen Grundfesten; der Tag ist nicht fern, wo ein Hauch eines Barère oder eines Tallien hinreichen wird, es zu Boden zu stürzen. Als ein Werk der Republikaner ist der Tod Dantons nichtsdestoweniger das erste Merkmal der Reaktion, welche die Republik so schnell wegraffen sollte. Ich werde also die Hauptumstände jener Erörterungen erzählen und dann Charles Henri Sanson das Wort lassen, der uns die letzten Augenblicke dieser berühmten Konventsmitglieder schildern wird.
Wie schon oben erwähnt, wurden Danton, Camille Desmoulins, Philippeaux und Lacroix in der Nacht vom 10. zum 11. Germinal in ihren Wohnungen verhaftet. Diese Maßregel bildete den Gegenstand sehr lebhafter Debatten im Schoße der Komitees. Einige Geschichtschreiber behaupten, daß Robespierre, weit entfernt, die Ächtung seiner alten Freunde hervorgerufen zu haben, sich nur nach heftigem Kampfe mit seinen Amtsgenossen und mit sich selber und nachdem man ihm bewiesen, daß ihr Dasein die Republik in Gefahr setze, dazu entschlossen hätte.
Ist dies wahr, so war es von Robespierre nur ein geschickter Streich mehr. Daß Amar, Voulland, Vadier, Billaud, die echten Terroristen, welche alle Stimmen in den Komitees hatten, die Verhaftung Dantons zuerst in Angriff genommen, ist wahrscheinlich; aber, sei es, daß Robespierre von seinem persönlichen Ehrgeiz geleitet worden oder daß er der uneigennützige Apostel eines politischen Systems gewesen sei, so stand der Haß der Feinde Dantons doch zu sehr im Einklang mit den Erfordernissen seiner persönlichen Stellung, als daß man annehmen dürfte, sein Schwanken sei aufrichtig gemeint gewesen. Er nimmt es übrigens selbst auf sich, seine Gefühle für die Angeschuldigten in helleres Licht zu setzen. In der Sitzung des 11., als Legendre im Namen der Gerechtigkeit und des Rechts für seine Freunde die Gunst in Anspruch nimmt, daß sie durch ihre Amtsgenossen verhört würden – wer widersetzt sich da? Robespierre; und seine Rede, welche ich später im Auszug geben werde, dient als Einleitung zu dem furchtbaren Antrag Saint Justs.
Danton – und dies
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