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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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daß es von der Erde aufgesogen werden konnte; in Fäulnis übergehend verbreitete es einen pestartigen Geruch, den man an dem entferntesten Ende des Platzes wahrnehmen konnte.
    In der verflossenen Nacht habe ich mit sechs Erdarbeitern die Brunnenstube vertiefen und fünf kleine Senkgruben anlegen lassen, welche in ebensoviele Gossen auslaufen.
    11. Nivôse. Wieder ein General unserer Armee auf der Guillotine gestorben. Biron wurde gestern verurteilt und heute morgen habe ich ihn von der Conciergerie abgeholt. Er befand sich in Richards Zimmer und verzehrte mit gutem Appetit Austern; als er mich sah, rief er: Aha! und sagte dann zu mir:
    »Du erlaubst mir wohl, daß ich erst mein letztes Dutzend Austern verzehre?«
    Ich antwortete ihm, ich stände zu seinem Befehl, worauf er lachte und erwiderte:
    »Nein, Donnerwetter! unglücklicherweise muß ich zu deinem Befehle stehen.«
    Er beschloß sein Mahl mit bewundernswerter Ruhe, indem er mit uns darüber scherzte, daß, da der 11. Nivôse nach dem alten Kalender der letzte Tag im Jahr sei, er nun bald in die andere Welt kommen und seinen Bekannten zu Neujahr gratulieren könnte. Diese Kaltblütigkeit bewahrte er bis zu Ende. Unterwegs rief ihm ein Soldat zu:
    »Adieu, mein General!«
    Biron antwortete:
    »Adieu, Kamerad!«
    Man hat den Soldaten weder geschlagen noch beschimpft.
    Seit dem Tode der Frau Dubarry sind die Bürger weniger erbittert gegen die Verurteilten. Wenn alle so schrien und sich wehrten, wie sie es getan hat, würde die Guillotine nicht mehr lange stehen.
    15. Nivôse. Ich habe für 30 Sols eine Nummer vom Vieux Cordelier des Bürgers Desmoulins gekauft. Es ist die fünfte. Die Gehilfen des Bürgers Desenne reichen nicht mehr zum Vertriebe aus. Der Eisenfresser Hébert hat seinen Meister gefunden, jeder will seinen Teil an der Genugtuung haben und lacht über die Geißelhiebe, die er von Camille empfängt. Seitdem ein unnahbarer Patriot wie jener es gewagt hat, von Barmherzigkeit zu sprechen, scheint es, alle Gesichter sähen weniger lang und düster aus. Man ist überzeugt, daß Danton, Camilles Freund, dahinter steckt und daß beide den Sieg über diejenigen davontragen werden, welche verlangen, die Republik solle jeden Morgen unter der Guillotine getauft werden. Es steht jedoch dahin, ob Robespierre ihnen den Vorzug einer so großen Volksbeliebtheit lassen werde. Unterdessen nehmen die Hinrichtungen ihren Fortgang.
    16. Pluviôse. Die Bürger-Geschworenen feilschen nicht um die, welche sie verurteilen, und diese ihrerseits geben ihr Leben billig. Niemals hat man das Leben so gering geschätzt. Früher, wenn ich mich im Gefängnis zeigte, flößte ich selbst dem Kühnsten Schrecken ein; wenn ich heute auf dem Flur oder in der Kanzlei der Conciergerie Gefangenen begegne, so scheint kein einziger daran zu denken, daß ich morgen vielleicht seinetwegen kommen könne; er lächelt mir zu, und dieses Lächeln macht einen seltsamen Eindruck auf mich. Ich habe mich mit dem Schrecken, den wir einflößten, vertraut machen können, aber viel schwerer ist es, sich daran zu gewöhnen, Leute zur Guillotine zu führen, die sich dafür bedanken. Wenn meine Hand noch etwas mit der unmittelbaren Vollstreckung der Todesstrafe zu tun hätte, so würde sie schon seit langer Zeit nicht gezittert haben. In der Tat, wenn man sie alle, die Richter wie die Gerichteten und die Angeklagten, sieht, so glaubt man sie von einer Krankheit befallen, die man den Todeswahnsinn nennen könnte. Wo und wann wird das enden? – Ein Gefangener fragte neulich Toustin: »Was soll ich tun, um gleich morgen guillotiniert zu werden?« Diese Ungeduldigen sind vielleicht nicht die Mutigsten; es gibt noch andere, welche so ruhig und kaltblütig bleiben, als ob zwischen heute und morgen noch hundert Jahre verliefen; dies sind die Tapfersten. Ein solcher war Montjourdain, Kommandant des Bataillons Saint-Lazare, als Mitschuldiger vom 10. August verurteilt. Während der sechs Wochen, die er in der Conciergerie zubrachte, hat man niemals an ihm das geringste Zeichen von Angst oder auch nur von Betrübnis gemerkt. Als man ihn benachrichtigte, daß er vor den Gerichtshof gebracht werden sollte, fing er ein Lied zu dichten an; er machte fünf Verse sogleich und vier andere nach seiner Verurteilung. Richard hat mich eine Abschrift davon nehmen lassen, die ich als ein seltsames Schriftstück aufbewahre. Er ging mit Courtonnet zum Tode und unterwegs hörten sie nicht auf zu lachen und zu scherzen.
    17.

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