Tagebücher der Henker von Paris
Einleitung zehn Pfund Sterling, wenn ich ihn auf einen Tag unter die Zahl meiner Gehilfen aufnehmen wolle. Ich hatte alle Ursache, über solchen Vorschlag erstaunt zu sein; ich fragte ihn, ob sein Nationalhaß gegen die Franzosen ihn zu einem so seltsamen Wunsche vermocht habe. Er antwortete mir, er liebe weder Frankreich noch die Franzosen, aber seine Abneigung habe mit seiner Absicht nichts gemein; die Neugierde allein habe ihn nach Paris geführt; er wolle eine Revolution, mit der sich die ganze Welt beschäftige, in der Nähe sehen; damit aber sein Zweck vollständig erreicht werde, wäre es nötig, daß er wenigstens einer Hinrichtung in der Nähe beiwohne. Ich machte ihm bemerklich, daß seine Neugierde ihm teuer zu stehen kommen könne, daß wir mit seinem Vaterlands im Kriege ständen, und wenn er erkannt würde, was in Betracht seiner unvollkommenen Verkleidung mir sehr wahrscheinlich schiene, er jedenfalls als Spion angesehen und als solcher behandelt werden würde; endlich schlug ich ihm seine Bitte rund ab. Er hörte mir mit unerschütterlicher Kaltblütigkeit zu; als ich zu Ende war, erklärte er, er wäre entschieden und würde trotz meiner Weigerung auf das Schafott kommen.
Ich konnte nicht umhin, ihm nachzurufen:
»Nehmen Sie sich in acht, daß Sie nicht wider Ihren eigenen Willen hinaufkommen!«
Danton und seine Freunde
Die Verhaftung
Danton und Robespierre, Desmoulins, Lacroir, Philippeaur; Eulogius Schneider.
5. Germinal. Gestern sahen alle Gesichter festlich aus; heute dagegen sehr lang. Es hatte sich das Gerücht verbreitet, die Bürger Robespierre und Danton hätten Frieden geschlossen und einer hätte den Tod Héberts und seiner Anhänger als Pfand dieser Versöhnung, der andere dagegen die Köpfe der großen royalistischen Verschwörer, der wegen Unterschiede angeklagten Deputierten und der am 28. Ventôse verhafteten Chaumette und Simon gefordert; nach diesen Hinrichtungen würde der Gerichtshof endlich Befehl erhalten, gerecht zu verfahren. Dies war einer der Gründe, weshalb eine so außerordentliche Menge gestern nach dem Richtplatze hinströmte. Heute morgen geriet man ebenso leicht wieder in Besorgnis, wie man sich am vorigen Abend in Sicherheit hatte wiegen lassen, und es liefen düstere Gerüchte um. Man sagte, Robespierre, weit entfernt, an eine Verständigung mit Danton zu denken, habe die Feinde des letzteren nur getroffen, um ihn selber desto sicherer zu erreichen und eine Art von Unparteilichkeit für seine noch beabsichtigten Streiche zu bewahren. Tatsache ist es, daß unsere Demokratie zu sehr einem Despotismus gleicht, als daß diejenigen, welche die Macht ausüben, sich dazu verstehen sollten, dieselbe untereinander zu teilen. Einer der Geschworenen, Raudin, sagte laut zu Sellier: »Um hinter Robespierre zu gehen, hat Danton einen Kopf zuviel, den muß man abschneiden.« Man erzählt auch, Danton sei gewarnt, daß er sich in Gefahr befinde. Er hat geantwortet: »Sie werden es nicht wagen, ich bin die heilige Arche; und wenn ich voraussetzen müßte, daß Robespierre diesen Gedanken hegt, so würde ich ihm die Eingeweide ausreißen.« Ich glaube, daß er sich täuscht. Es gibt gegenwärtig nur eine heilige Arche: die Guillotine.
Gewiß ist es für einen Tribunen ebenso schwierig wie für einen König, die wahre Stimmung des Volkes zu kennen. Das Volk bewundert die großen Zerstörer, aber seine Bewunderung gleicht dem Entsetzen; die es liebt, sind diejenigen, welche entweder für seine Augen oder für sein Herz aufbauen, und diesen gibt es sich hin. Danton spricht und handelt wie ein Mensch, Robespierre wie ein Prophet: das Reich wird immer den Propheten gehören. Es war notwendig, daß ein Dolch in das Herz Marats drang, damit man dieses Stück Verwesung anbetete; der Mann mit dem blauen Rock ist noch am Leben, und schon hat er seine andächtigen Verehrer und Verehrerinnen. Die Frau Desmorets, meines ersten Gehilfen, spricht morgens und abends ihre Gebete vor einem Bildnis Robespierres, welches sie an Stelle des Heilandes an das Kopfende ihres Bettes gestellt hat; viele machen es wie sie.
7. Germinal. Man sagt allgemein, daß in den Komitees über Dantons Verhaftung verhandelt werde. Nach meinem geringen Urteil halte ich es für wahrscheinlich, daß die großen Hunde sich zu beißen anschicken, da die kleinen Spitze zu arg kläffen. Der freche Vilate sagte ganz offen in der Schenkstube: »Ehe acht Tage vergehen, werden wir Danton, Camille und Philippeaux haben.« Wenn
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