Tagebücher der Henker von Paris
Göttin, die Vernunft, darzustellen; man wird nur durch die Wahl in Verlegenheit gesetzt. Ein Blatt sagte gestern, in gegenwärtiger Zeit käme jene Göttin in keine schlimmere Verlegenheit, als ein General, dem die Soldaten fehlen.
12. Frimaire. Heute Morgen wurden zwei Schuhmacher, Barthélemy Soudre und Guillaume Jean Flamant, verurteilt, beide wegen Veruntreuung der Lieferungen. Gestern nannte Vouland, ein Mitglied des Konvents und der Komitees, in der Trinkstube des Gerichtshofes die Hinrichtung durch die Guillotine die rote Messe. Ich erfuhr es von dem Geschworenen Prieur, aber heute ist es schon öffentlich und alle Welt wiederholt diesen Ausspruch. Der neue liebe Gott hat schon seinen Pilatus, der niemand anders ist als der Bürger Robespierre; er hat in der Versammlung gegen die Erfindung von Cloots und Chaumette gesprochen und seine Reden wurden vom Publikum mit größerem Beifall als die der Deputierten aufgenommen. Die Frauen, welche die Göttin nicht zu sehr lieben, benutzen dies, um ihr Gehässigkeiten nachzusagen; über die sogenannte Scheinheiligkeit des Bürgers Robespierre macht man allerlei Wortspiele, dennoch aber bleibt er sehr populär.
13. Frimaire. Heute wurde ein Beschluß der Gemeinde veröffentlicht, der bestimmt, was jemand getan und nicht getan haben muß, um einen Bürgerbrief zu erhalten; dies ist wirklich schwerer, als in das ehemalige Paradies zu kommen und der heilige Petrus macht geringere Ansprüche als der Bürger Chaumette.
Diejenigen, welche im Jahre 1790 aktive Bürger waren, müssen eine Bescheinigung beibringen, daß sie seit jener Zeit in die Nationalgarde eingetragen worden sind;
muß man Quittung über die patriotischen Beiträge und Steuern von den Jahren 1791 und 1792 vorlegen;
darf man seit dem 10. August nicht mehr als eine Stelle bekleidet;
nichts gegen die Freiheit geschrieben;
keinem Klub angehört haben, der in der öffentlichen Meinung geächtet ist, wie in Paris die Klubs Monarchien, Feuillant, Samte Chapelle, Massiau und Montaigu;
darf man aus keiner Volksgesellschaft ausgeschlossen worden sein, wie in Paris aus der der Jakobiner und der Cordeliers seit ihrer Vereinigung;
darf man keine der geächteten Bittschriften unterzeichnet haben, wie in Paris die der Achttausend und der Zwanzigtausend, gegen die Versetzung der Asche Voltaires und gegen die Priesterheirat; selbst nicht, wenn man auf der Stelle widerrufen hat.
Wenn dieses Dekret in Ausführung gelangen sollte, so wären drei Viertel der Pariser Bürger verdächtig.
17. Frimaire. Madame Dubarry wurde gestern abend verurteilt und heute morgen hingerichtet. Wir waren, dem Befehl gemäß, um neun Uhr im Gerichtsgebäude; es waren jedoch Enthüllungen zu erwarten, weil die Verurteilte sich mit dem Richter Denizot und dem Vertreter des Anklägers, Royer, eingeschlossen hatte. Um zehn Uhr brachte man die drei Bürger Vandenyver, den Vater und zwei Söhne, alle Mitschuldige der Madame Dubarry, und die Bürger Bonnardot und Joseph Bruniot, Verfertiger falscher Assignaten, welche vom Kriminalgericht verurteilt waren. Während die Genannten ihre Vorkehrungen trafen, erschien Madame Dubarry in dem Vorzimmer der Kanzlei. Sie stützte sich beim Gehen gegen die Wand, denn ihre Knie wankten. Ich hatte sie seit zwanzig Jahren nicht wiedergesehen und konnte sie kaum erkennen; sie war ebensowohl durch ihre zu große Beleibtheit wie durch Angst und Kummer entstellt. Als sie mich hinter den schon gefesselten Verurteilten stehen sah, stieß sie einen Schrei aus, verbarg ihre Augen hinter ihrem Taschentuche und warf sich auf die Knie, indem sie schrie:
»Ich will nicht, ich will nicht!«
Sogleich erhob sie sich wieder und fragte:
»Wo find die Richter? Ich habe noch nicht alles erklärt, nicht alles gestanden.«
Die Bürger Denizot und Royer befanden sich bei Richard mit einigen Deputierten, welche sich aus Neugierde eingefunden hatten, um die arme Frau vorbeigehen zu sehen; sie kamen sogleich herbei, weigerten sich aber, nach der Kanzlei zurückzukehren und forderten sie auf, auf der Stelle zu sprechen. Sie gab sodann einige kostbare Gegenstände an, welche in dem Hause von Lucienne verborgen oder verschiedenen Privatpersonen anvertraut waren; jeden Augenblick aber unterbrach sie sich mit Wehklagen und verwirrte sich zu wiederholten Malen, als ob ihr Hirn vom Fieber befallen wäre. Der Bürger Royer, welcher ihre Aussage niederschrieb, fragte darauf: »Ist dies alles?« und wollte sie das Protokoll unterschreiben lassen;
Weitere Kostenlose Bücher