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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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übrigen kenne ich nicht. Was kümmern uns die Namen, wenn sie schuldig sind? Aber, Bürger, ich verlange, daß die verhafteten Mitglieder vor die Schranken geführt werden, wo ihr sie hören, wo ihr sie verurteilen oder freisprechen könnt. Ich gestehe, daß ich Danton nicht für schuldig halten kann; ich wiederhole, daß er ebenso rein ist wie ich. Er ist seit dieser Nacht in Banden; ohne Zweifel hat man gefürchtet, seine Antworten könnten die Beschuldigungen, die man gegen ihn richtet, vernichten.«
    Ein Repräsentant von der Bergpartei, Fayau, antwortete Legendre und widersetzte sich dem Antrage; aber die Versammlung war aufgeregt, und es bedurfte eines mächtigeren Wortes, um eine Erregung zu bewältigen, welche den Angeklagten günstig werden konnte. Robespierre besteigt die Tribüne. Er beginnt damit, daß er über die Verwirrung, die sich im Konvent bemerken lasse, erstaunt; er fragt, ob er den Schluß daraus ziehen solle, daß einige Männer, die er für Ränkeschmiede halte, den Sieg über das Vaterland davontragen sollen; endlich wendet er sich mit den Worten an Legendre:
    »Legendre scheint die Namen der Verhafteten nicht zu kennen; aber der ganze Konvent kennt sie. Sein Freund Lacroix gehört zu dieser Zahl. Warum stellt er sich, als ob er es nicht wisse? Weil er weiß, daß man nicht ohne Schamlosigkeit Lacroix verteidigen kann. Er hat von Danton gesprochen. Vermutlich, weil er glaubt, mit diesem Namen verbände sich ein Vorrecht; nein, wir wollen kein Vorrecht, wir wollen keine Götzenbilder! Wir werden am heutigen Tage sehen, ob der Konvent ein schon seit langer Zeit verfaultes Götzenbild zu zerbrechen versteht, oder ob dasselbe in seinem Falle den Konvent und das französische Volk zerschmettern wird. Welches Vorrecht hätte er denn? Worin ist ein Danton seinen Amtsgenossen überlegen? Etwa darin, daß einige Personen, die er getäuscht, und andere, die er nicht getäuscht hat, sich um ihn scharten, um in seinem Gefolge Glück und Macht zu erjagen?«
    Ein wenig nachher erklärte er, er habe nicht gezaudert, Danton zu opfern.
    »Man hat an mich geschrieben; Dantons Freunde haben mir Briefe zugestellt und mich mit ihren Reden belästigt. Sie glaubten, die Erinnerung an ein altes Bündnis, ein alter Glaube an falsche Tugenden würde mich bestimmen, meinen Eifer und meine leidenschaftliche Liebe für die Freiheit zu unterdrücken. Nun wohl – ich erkläre, daß keiner jener Beweggründe auch nur den mindesten Eindruck auf meine Seele ausgeübt hat.«
    Er schließt damit, daß er verlangt, man solle über Legendres Antrag zur vorhergängigen Frage übergehen.
    Die Wirkung dieser machiavellistischen Rede war bedeutend. Robespierre hatte in sehr geschickter Weise den Konvent mit dem Beschlusse der Komitees in Verbindung gebracht; er hatte die Eifrigen angeregt, die Schüchternen sicher gemacht, indem er ihnen erklärte, die Zahl der Schuldigen sei nur unbedeutend, wobei er sie aber vermuten ließ, daß der Minotaurus nachher noch andere Köpfe verlangen könnte. Saint Just vollendete das Werk, welches Robespierre begonnen hatte.
    Zwischen Robespierres Rede und Saint Justs Bericht liegt die ganze Kluft, welche den kalten und berechnenden Ehrgeiz vom Fanatismus trennt. Der strenge Mann vom Konvent, der gesagt hatte: »Die Republik ist kein Senat, sondern eine Tugend«, meinte es aufrichtig mit seinem Haß gegen Danton, der sich nicht die Mühe gab, seine Laster zu verschleiern und seine Schwächen zu verhüllen. Mit einer Art wilder Trunkenheit hatte er sich auf die Beute, die man ihm preisgab, geworfen; diese Trunkenheit zeigt sich in jeder Zeile dieser Arbeit, wo das Wahre mit dem Falschen, das Sinnlose mit dem Wahrscheinlichen sich kreuzt und mischt: in dieser ungeheuerlichen Mischung von wilder Überzeugung, wütender Unduldsamkeit, niedriger Schmeichelei und unsinnigen Anklagen, in welche er, damit niemand das Opfer aufzuheben versuche, noch Kot ausgoß, indem er das Wort aussprach, das alle Teilnahme zurückwies: den Diebstahl. – Diesen Bericht las Saint Just mit jener Beredsamkeit, welche, einem Schriftsteller zufolge, kalt wie Stahl und schneidend wie ein Schwert war. Die Volksvertreter lauschten mit gesenktem Haupte, wie die Schüler unter der Rute des Schulmeisters. Die Bestürzung war allgemein. Dieses neue Eindringen des Schreckens in den Konvent machte selbst die Mutigsten erstarren; keine Stimme erhob sich zur Verteidigung der Geächteten; Legendre verleugnete öfter als dreimal

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