Tagebücher der Henker von Paris
Köpfe, die er fallen sehen wollte, sicherer zu erlangen, überbot er Fouquiers Brief noch durch eine gehässige Lüge, indem er folgendermaßen begann:
»Der öffentliche Ankläger des Revolutionsgerichts hat die Meldung gemacht, daß durch die Empörung der Verurteilten die gerichtlichen Verhandlungen so lange aufgehoben seien, bis der Konvent seine Maßregeln ergriffen habe.«
Indem er dem unumschränkten Urteilsspruch der Jury vorgreift, fährt er fort: »Welcher Unschuldige hat sich jemals gegen das Gesetz empört? Es bedarf keiner anderen Beweise ihrer Verbrechen als ihre Kühnheit. Die Unglücklichen bekennen ihre Verbrechen, indem sie dem Gesetz Widerstand leisten.«
Dann entwirft er ein phantastisches Gemälde von den Gefahren des Vaterlandes; er ruft den willfährigen Schatten Catilinas auf, er bezeichnet die Angeklagten als die Anstifter der Verschwörung in den Gefängnissen; Withcherichs Brief wird von einem der Schreiber vorgelesen, und der Konvent stimmt für das folgende Dekret:
»Nachdem der Nationalkonvent den Bericht seiner Komitees der öffentlichen Wohlfahrt und der öffentlichen Sicherheit vernommen, verfügt er, daß das Revolutionstribunal die Verhandlung, welche sich auf die Verschwörung von Lacroix, Danton, Chabot und anderen bezieht, fortsetze; daß der Präsident alle Mittel in Anwendung bringe, welche ihm das Gesetz gewährt, um sein Ansehen und das des Revolutionstribunals aufrechtzuerhalten, und jeden Versuch seitens der Angeklagten, die öffentliche Ruhe zu stören und den Gang der Gerechtigkeit zu hemmen, zu unterdrücken;
beschließt ferner, daß jeder der Verschwörung Überwiesene, welcher der Nationaljustiz Widerstand leistet oder sie beleidigt, auf der Stelle von den Verhandlungen ausgeschlossen werden soll.«
Drei Komiteemitglieder, Amar, Bouland und David, von fieberhaftem Haß gegen Danton erfüllt, erklärten sich bereit, das mörderische Dekret sogleich dem Tribunal zu überbringen. Louis Blanc erzählt, Bouland hätte, indem er Fouquier-Tinville das Papier übergab, gerufen: »Jetzt haben wir die Verräter in unseren Händen; dies hier wird es dir bequem machen!« Und dieser, ein Verwandter des Camille Desmoulins, den er vor das Revolutionstribunal gebracht hatte, habe mit lächelndem Munde geantwortet: »Das tut uns, meiner Treu', auch not.«
Michelet bestätigt, daß die drei Konventsmitglieder der Versuchung, sich an der Verzweiflung ihrer Feinde zu werden, nicht widerstehen konnten; während Fouquier das Dekret las, zeigten sich ihre Gesichter an der Luke des Druckers Nicolas, dessen Kabinett sich hinter den Bänken der Geschworenen befand. Danton erkannte sie und zeigte sie Desmoulins mit dem Rufe:
»Sieh nur diese feigen Mörder, sie verfolgen uns bis in den Tod!«
Die Vorlesung von Laflottes Denunzierung, welche dem Dekret beigefügt war, hatte die Verzweiflung des unglücklichen Camille noch auf die höchste Stufe getrieben. Der Verräter erklärte, die Frau des Desmoulins hätte Dillon tausend Taler geboten, um das Publikum im Revolutionstribunal zu gewinnen. Der Unglückliche begriff, daß dies das Todesurteil seiner Lucile sei, und rief bei dem Gedanken, sie mit sich in das Grab zu ziehen, händeringend aus:
»Die Ungeheuer! Nicht zufrieden, mich zu ermorden, wollen sie auch noch mein Weib ermorden!«
Danton sprang auf eine Bank; mit den heftigen, kurz ausgestoßenen Sätzen, welche seine Beredsamkeit ausmachten, wendet er sich bald an das Gewissen der Richter und der Geschworenen, bald läßt er seinem Unwillen freien Zügel; er verflucht die Tyrannen und ruft, indem er den Schleier der Zukunft zerreißt:
»Schändlicher Robespierre, das Schafott verlangt nach dir! Du wirst nicht ungestraft ausgehen, sondern mir folgen.«
Endlich wendet er sich an das Volk und fragt es, ob es die Ungerechtigkeit gestatten wolle; er beschwört es, zu erklären, ob er etwas anderes verlangt habe, als das dem Verklagten zustehende Recht, die Zeugen zu verlangen, welche seine Unschuld kundtun können.
Lacroix sagt: »Man führe uns zum Schafott; wir haben genug gelebt, um ruhmvoll zu schlafen.«
Das Volk erbebt und murrt. Herman droht, Camille richtet heftige Beleidigungen gegen ihn, zerreißt das Papier, worauf er seine Verteidigung vorbereitet hatte, und wirft die Stücke vor das Tribunal.
Nun erhebt sich Fouquier-Tinville und fordert, daß das Dekret des Konvents in Vollzug komme; die Richter entscheiden, daß die Angeklagten von den Verhandlungen ausgeschlossen
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