Tagebücher der Henker von Paris
verdammten Schafsköpfe werden rufen, wenn sie uns vorbeikommen sehen: Es lebe die Republik! – Binnen zwei Stunden wird die Republik ohne Kopf sein.«
Fabre klagte noch immer über den Verlust seiner Komödie; als Danton dies hörte, sagte er ihm lachend, indem er ein Wortspiel machte (vers – Verse und Würmer):
»Du klagst über deine Verse, ehe acht Tage vergehen, wirst du mehr Würmer bilden, als dir lieb ist, und mir auch.«
Als wir auf den Kai hinausbogen, überließ sich Camille Desmoulins abermals seiner Aufregung.
»Kennt ihr mich nicht mehr?« rief er, indem er sich zum Karren hinauslegte, »auf meine Stimme ist die Bastille gefallen! Kennt ihr mich nicht? Ich bin der erste Apostel der Freiheit! Ihre Bildsäule wird von dem Blute eines ihrer Kinder benetzt werden. Mir zu Hilfe, Volk des 14. Juli, laß mich nicht ermorden!«
Man antwortete ihm mit höhnischem Gelächter. Seine Wut verdoppelte sich; ich fürchtete, er möchte sich unter die Räder des Wagens stürzen; der Gehilfe mußte hin, ihn zurückzuhalten; man drohte ihm, aber vergebens, ihn an die Wagenleitern zu knebeln. Danton, der deutlich sah, daß das Volk, welches sie umgab, sich nicht regen würde, bog sich über Philippeaux fort und sagte mit starker Stimme zu ihm:
»Schweig doch, schweig, hoffst du etwa, diese gemeine Kanaille zu rühren?«
Und Lacroix sagte:
»Beruhige dich, sei eher darauf bedacht, ihnen Achtung einzuflößen, als ihr Mitleid zu erregen!« Danton hatte recht. Er hätte eher Steine erweichen können. Als wir aus der Conciergerie herauskamen, wurde die Bedeckung von einer Menge Männer und Frauen der Guillotine, die uns erwarteten, umringt; diese Menge hielt sich gedrängt, blieb an unserer Seite und stieß ein so lautes Geschrei aus, daß die Bürger, welche an den Fenstern oder längs der Häuser standen, unmöglich die Worte der Verurteilten verstehen konnten.
Als wir an einem Kaffeehause vorüberkamen, sahen wir einen Bürger auf dem Fensterbrett sitzen und die Verurteilten abzeichnen. Diese erhoben das Haupt und murmelten:
»David, David!«
Ich erkannte ihn wirklich an seinem schiefen Munde. Danton erhob die Stimme und rief ihm zu:
»Du da, Knecht, sage deinem Herrn, wie die Soldaten der Freiheit sterben!«
Lacroix rief ihn seinerseits an und schalt ihn einen Verräter; David fuhr fort zu zeichnen.
Türen, Fenster und Fensterläden, alles war in Duplays Hause geschlossen. Die Verurteilten suchten es schon vorher mit den Blicken. Als sie vor demselben waren, riefen sie diesen stummen und düsteren Mauern tausend Spottreden zu.
»Elender Scheinheiliger,« sagte Fabre.
Lacroix rief:
»Der Feige, er verbirgt sich, wie er sich am 10. August verbarg!«
Camille:
»Ungeheuer, wirst du nicht von meinem Mut gesättigt sein? Weshalb lechzest du noch nach dem Blute meiner Frau?«
Dantons Stimme beherrschte alle übrigen; sein Gesicht, das schon immer rot war, wurde bläulich, sein Mund schäumte und seine Augen funkelten wie glühende Kohlen.
»Robespierre!« rief er aus, »es ist vergebens, daß du dich verbirgst; auch du wirst an die Reihe kommen, und der Schatten Dantons wird in seinem Grabe vor Freuden beben, wenn du an diesem Platze stehst.«
Er fügte noch grobe Beleidigungen hinzu.
Bis vor die Guillotine blieb sich Danton gleich, indem er ohne Übergangsstufen von der heftigsten Aufregung zur ruhigsten Heiterkeit überging, bald brutal, bald niedrig scherzend, aber immer so standhaft, daß, wer ihn allein gesehen, das traurige Gefährt, in welchem ich ihn führte, für den Wagen eines Triumphators hätte halten können. In dem Augenblicke, als wir auf den Platz einbogen, bemerkte er das Schafott; sein Gesicht entfärbte sich, und ich sah sein Auge feucht werden. Die Aufmerksamkeit, womit ich ihn betrachtete, mochte ihm mißfallen; er stieß mich hastig mit seinem Ellbogen und fragte mich wütend:
»Hast du nicht ein Weibchen und Kinder?«
Ich antwortete bejahend; darauf fuhr er in demselben Tone fort:
»Ich auch. Nun, als ich an sie dachte, wurde ich wieder Mensch.«
Er senkte das Haupt, und wir hörten ihn murmeln:
»Mein geliebtes Weib, ich werde dich nicht wiedersehen; mein Kind, ich werde dich nicht sehen.«
Als der Karren anhielt, faßte er sich wieder, schüttelte krampfhaft das Haupt, als wollte er sich von einem lästigen Gedanken befreien, und stieg mit den Worten ab:
»Keine Schwachheit, Danton.«
Delaunay, Chabot, Bazire, die beiden Frey, Gusman, Diedericksen, d'Espagnac starben
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