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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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mich zurück, denn ich fürchtete, es könnte mich jemand bei Namen rufen, und sie möchte, wenn sie mich vor der Zeit sähe, in Angst geraten. Richard erzählte mir, sie habe am Morgen des Verhörs, als sie von dem Gerichtshofe heruntergekommen sei, lange mit seiner Frau gesprochen; sie befragte die Richard über das Leben der Königin während ihrer Gefangenschaft in der Conciergerie und wollte alle einzelnen Umstände ihres Todes hören. Die Richard erzählte, durch diese Mitteilung sei die Prinzessin aufs heftigste gerührt worden, sie habe sich vollständig selber vergessen und gar nicht daran gedacht, daß ein gleiches Schicksal sie erwarte. Während Henri und die Gehilfen die Verurteilte in dem Vorzimmer der Kanzlei zurüsteten, zeigte ihr Richard an, daß die Stunde gekommen sei; sie sagte in gütigem Tone Richards Frau Lebewohl, aber sie folgte nicht jenem edlen Antrieb, welcher die anscheinend viel stolzere Marie Antoinette in dem letzten Augenblicke bewog, die Tochter Baults, welche sie gepflegt hatte, zu umarmen. Richard führte Madame Elisabeth in das Frauengemach. Ich kam ein wenig später. Sie saß schon auf dem Stuhl, das gelöste Haar über dem Rücken herabhängend; sie hatte ihr Buch wiedergenommen, betete und schlug sich die Brust; nach einem so heiligen Lebenswandel und im Angesicht eines so unverschuldeten Todes braucht sie wohl nicht an der Barmherzigkeit Gottes zu zweifeln. Ihr Haar war kastanienbraun, sehr lang und üppig. In dem Augenblicke, als ich ihre Hände binden wollte, machte sie das Zeichen eines Kreuzes; ich fand sie nicht so mager, wie Henri sie mir geschildert hatte und wie sie mir selber beim Verhör vorgekommen war. Ihr Wuchs war ein wenig derb, wie der des Königs, ihres Bruders; ihr Gesicht sehr voll. Die einzige sichtbare Spur der Gefangenschaft war die außerordentlich bleiche Farbe ihres Gesichts. Da ihre Wangen alle Röte verloren und eine matte Blässe angenommen hatten, erschienen ihre blauen Augen um so klarer. Alle Verurteilten verneigten sich vor ihr. Die weinenden Frauen schwiegen; sie erwiderte ihren Gruß, rief einen der Gebrüder Loménie zu sich und sprach mit ihm. Wir konnten aber nicht verstehen, was sie zu ihm sagte. Nach einer Unterhaltung von wenigen Minuten senkte sie das Haupt, und wir sahen an Loménies Lippen, daß er ein Gebet murmelte, ohne Zweifel eine Absolution, denn er ist Bischof; dies wird ein großer Trost für die arme Frau gewesen sein. Die Verurteilten verließen die Conciergerie um vier Uhr; in dem ersten Karren saß Madame Elisabeth mit den beiden Loménie, dem Bischof und dem ehemaligen Pfarrer, der Witwe Senozan, Montmorin dem Sohn, Sourdeval und Gressy de Chamillon. – Alle standen, sie allein saß; in der Mitte der Straße du Coq mußten wir die Pferde antreiben, da die Zeit drängte; jetzt stand sie auf, ohne Zweifel, weil die Stöße des Wagens ihr Beschwerden verursachten.
    Als der Bischof Loménie zu ihr sagte, Gott würde ihr Märtyrertum belohnen, antwortete sie lächelnd:
    »Ihr habt Euch genug mit meinem Heile beschäftigt; die mildtätige Liebe darf Euch nicht verhindern, an das Heil Eurer eigenen Seele zu denken.«
    Als das Haupt der Verschwörung – denn die Geschworenen hatten eine Verschwörung anerkannt – mußte sie zuletzt hingerichtet werden; in dieser Beziehung hatte mir Ducray strengen Befehl erteilt. Sie blieb unter den Gendarmen auf dem Platze stehen, während ihre Gefährten den Tod erlitten. Ich sah sie mehrere Male an und immer betete sie, das Gesicht nach dem Schafott gewandt, ohne auch nur bei irgendeinem Geräusch die Augen aufzuschlagen. Der junge Montmorin und der Bediente Lhote riefen:
    »Es lebe der König!« Dies setzte das Publikum in große Wut. Jedesmal, wenn das Messer fiel, klatschte es Beifall und rief:
    »Es lebe die Nation!«
    Die Prinzessin, mit erhabenen Dingen beschäftigt, hörte diese Rufe und Beifallszeichen mit Gleichgültigkeit an; sie blieb unbeweglich, wie jene Statuen des Glaubens, die man früher unter den Hallen der Kirchen sah und deren steinernes Gesicht keinen anderen Ausdruck zu haben schien als den der Liebe zu Gott. Als ihre Zeit gekommen war, stieg sie langsamen Schrittes die Stufen hinauf; sie bebte ein wenig, ihr Haupt war auf die Brust geneigt. In dem Augenblick, als sie sich dem Fallbrett näherte, riß ihr einer der Gehilfen das Halstuch von den Schultern. Da rief sie in edler Schamhaftigkeit:
    »O mein Herr, haben Sie Mitleid!«
    Fast in demselben Augenblicke wurde sie

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