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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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Madame Elisabeth nach der Conciergerie gebracht. Während man eine Zelle in der Frauenabteilung für sie zurechtmachte, führte man sie in die Kanzlei, wo mein Sohn sie erblickte; sie war sehr mager und bleich; sie saß und las in einem Gebetbuch, ohne die Unruhe um sie her zu bemerken. Heute nacht wird sie durch Fouquier-Tinville verhört. Morgen wird der Prozeß seinen Anfang nehmen.
    21. Floreal. Ich wohnte einem Teil der Sitzung bei, in welcher die Schwester des verstorbenen Königs verurteilt wurde. Dumas führte den Vorsitz; es saßen fünfzehn Geschworene auf den Bänken; Liendon erhob die Anklage. Man hatte der ehemaligen Prinzessin einen Lehnstuhl bewilligt, was mich von Dumas wunderte, über diesen Prozeß laufen tausend verschiedene Gerüchte um. Einige behaupten, Robespierre hätte Madame Elisabeth im Temple besucht und ihr zu verstehen gegeben, es käme nur auf sie an, den Thron ihrer Ahnen zu besteigen, wenn sie seine Hand annähme; sie habe dieselbe ausgeschlagen und sich durch ihren legitimen Unwillen den Tod zugezogen.
    Man muß sehr dumm sein, zu glauben, daß ein Mann, dem niemand die Verstandesschärfe abspricht, einen solchen Schritt getan habe. Andere im Gegenteil versichern, er habe sich in den Comitees diesem Prozeß, der mindestens ohne Nutzen sei, entgegengesetzt. Dieser Meinung möchte ich eher zustimmen, wenn ich die Rücksichten sehe, welche Dumas gegen die arme Frau nimmt. Die Haltung der Prinzessin vor dem Gerichtshof glich nicht dem Benehmen der Marie Antoinette. Jene mit ihrem starren und stolzen Auge und der hochmütig aufgeworfenen Lippe hatte niemals besser eine Königin vorgestellt; die ehemalige Prinzessin mit ihrem verschleierten Blick, der den Himmel zu suchen schien, mit ihrem Lächeln, das sogar sanft blieb, als Fouquier sie in den beleidigendsten Ausdrücken anklagte, mit allen Verschwörungen ihrer Familie in Verbindung gestanden zu haben, glich einer vom Paradiese herabgestiegenen Heiligen. Sie antwortete mit großer Ruhe und Geistesgegenwart auf alle Fragen. Als man sie fragte, weshalb sie Ludwig auf seiner Flucht nach Varennes begleitet habe, sagte sie:
    »Alles gebot mir, meinem Bruder zu folgen; ich machte mir bei dieser Gelegenheit wie bei jeder anderen eine Pflicht daraus, ihn nicht zu verlassen.«
    Als Dumas ihr bemerkte, sie hätte bei der Orgie des Garde du Corps und des Regiments von Flandern eine Rolle gespielt, antwortete sie:
    »Ich weiß durchaus nicht, ob die Orgie, um die es sich handelt, überhaupt stattgefunden hat; ich erkläre aber, nichts davon gewußt und keinen Anteil daran genommen zu haben.«
    Dumas behauptete, die Antworten, welche Marie Antoinette in ihrem Prozeß gegeben, hätten die Schuld der Elisabeth vollkommen nachgewiesen.
    »Ihr könnt nicht leugnen,« fügte er hinzu, »daß Ihr in Eurem Eifer, den Feinden des Volkes zu dienen, die für die Patrioten bestimmten Patronen machen halfet, damit sie desto sicherer töten sollten.«
    Auch durch diese abgeschmackte Beschuldigung kam die Angeklagte nicht aus ihrer Ruhe; sie antwortete ohne Zorn und Ungeduld:
    »Alle die Tatsachen, welche mir zur Last gelegt werden, sind so unwürdig, daß ich mich nicht damit besudeln mag.«
    Als man sie in dem letzten Anklagepunkte beschuldigte, die Wunden der Nationalgarden verbunden zu haben, welche vor dem 10. August die Marseiller in den Elysäischen Feldern angegriffen, sagte sie:
    »Ich habe nicht gewußt, daß mein Bruder befohlen, irgend jemand zu ermorden; wenn ich zufällig einigen Verwundeten Hilfe geleistet habe, so bewog mich die Menschlichkeit allein, ihre Wunden zu verbinden. Ich habe mich nicht nach der Ursache ihrer Leiden erkundigt, ehe ich ihnen Pflege gewährte. Ich rechne mir dies nicht zum Verdienst an, aber ich kann mir auch nicht denken, daß man es mir zum Verbrechen auslegen werde.«
    Da eine Verschwörung niemals ohne Mitschuldige stattfinden kann, so wurden dreiundzwanzig Angeklagte mit dem Prozeß der Prinzessin vereinigt. Ich verließ das Verhörzimmer, als man zur Vernehmung der übrigen schritt; es war ein Uhr nachmittags. Um drei Uhr kam Desmorets, der oben geblieben war, und erzählte mir, alle wären nach einer Beratung von fünfundzwanzig Minuten zum Tode verurteilt. Er überbrachte mir den Befehl, unverzüglich die Hinrichtung vorzubereiten. Als ich in Richards Zimmer trat, sah ich eine Frau dort sitzen, die ein Taschentuch vor ihr Gesicht hielt; an ihrem schwarzen Kleide erkannte ich sie als die ehemalige Prinzessin und zog

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