Tagebücher der Henker von Paris
Stadthause, um sich mit Robespierre zu verständigen, den seine Parteigänger bereits entführt hatten; nicht aus dem Luxembourg, wo sie der Hausmeister nicht aufgenommen, sondern aus der Polizeiadministration, wohin seine Hüter ihn geführt hatten.
Die Unentschlossenheit Henriots bei diesem Umstande rettete den Konvent. Angesichts der ungeheuren Gefahr zeigten diese sonst so unentschlossenen und schüchternen Repräsentanten großen Mut und Tatkraft.
Collot d'Herbois hatte den Stuhl des Präsidenten inne, er zeigt dem Konvent an, daß bewaffnete Verräter sich des Komitees der öffentlichen Sicherheit bemächtigt hätten und daß jetzt der Augenblick gekommen sei, auf ihrem Posten zu sterben.
Das Publikum, welches die Tribüne besetzt hielt, begriff, daß der Saal des Konvents der Schauplatz eines Kampfes werden würde: es flieht in so bestürzter Eile, daß mehrere Personen verletzt werden. Die Repräsentanten bleiben allein.
Goupilleau, Elie Lacoste verkünden, daß die Kommune im Aufstande und Robespierre und Henriot befreit seien; sie fordern, daß man die Repräsentanten, die sich dem Dekrete widersetzten, den General und die rebellischen Munizipalen außer dem Gesetz erkläre. In dieser Gefahr und von allen verlassen, findet der noch vor wenigen Tagen so kleinmütige Konvent eine ruhige Haltung und eine heldenmütige Standhaftigkeit wieder. Nicht einer der Repräsentanten verließ den Posten, wo sie sich in Permanenz erklärt hatten; Elie Lacostes Antrag wurde einstimmig und mit lautem Beifall angenommen. Barras wurde zum Befehlshaber der bewaffneten Macht ernannt; man ordnete ihm sechs Kommissäre bei, welche sich in die Sektionen begeben und diese zur Hilfe des Konvents aufrufen sollten; denn indem der Konvent seinen General ernannte, wußte er noch nicht, ob er ihm einen Soldaten geben konnte.
Der Rest der Sektionen, welche darüber entscheiden sollten, wem Frankreich gehören würde, stand glücklicherweise nicht mehr auf Robespierres Seite. Die Emissäre der Gemeinden waren vor den Kommissären des Konvents bei ihnen eingetroffen; so revolutionär sie aber auch waren, so begriff doch die Mehrzahl die ernste Bedeutung der Handlung, die man von ihnen verlangte, und sie weigerten sich entschlossen, den Beamten des Bürgerrats Beistand zu leisten. Die Vorstädte Saint Marceau, Saint Antoine und Saint Martin allein schickten Mannschaften und Geschütz auf den Platz und in die Umgegend des Stadthauses; und aus einem Manuskript meines Vaters kann man ersehen, daß viele überrascht worden waren und nicht einmal wußten, daß sie einen Aufstand unterstützten. Die Sektionen der Arcis, der Gravilliers und der Lombarden erhoben sich im Gegenteil auf die Stimme von Leonard Bourdon und erklärten, sie seien bereit, für den Konvent zu sterben. Bourdon stellte sich an ihre Spitze und, die Gerichtsdiener der Versammlung vorauf, marschierte er nach dem Gemeindehause, um den Aufstand im Keime zu ersticken. Auf dem ganzen Wege der Kolonne lasen die Gerichtsdiener das Dekret vor, und die Allmacht des Wortes: »Außer dem Gesetz« brachte einen tiefen Eindruck auf die Massen hervor; sie öffneten ihre Reihen, ohne den geringsten Widerstand zu versuchen. Die entschiedenen Robespierristen erlagen selber dem Einfluß dieser schrecklichen Waffe. Die Kanoniere von Popincourt, welche ihre Geschütze zu einer Batterie auf dem Platze des Stadthauses vereinigt hatten, widerstanden ebensowenig wie die übrigen; sie bespannten ihre Geschütze und ließen Leonard Bourdon seine Leute auf dem Stadthause einquartieren und die Zitadelle, wo der Aufstand seinen Rat hielt, einschließen.
Seit neun Uhr abends taten Robespierre und seine Anhänger nichts weiter, als daß sie Rat hielten. Der Triumvir besaß die Verstellungskunst, die Geschicklichkeit und Zähigkeit eines Staatsmannes, er hatte aber weder die Schnelligkeit des Entschlusses noch die Kraft in der Ausführung, welche ihn vervollständigen. Daher schreibt sich seine Vorliebe für das System der Guillotine, welches mehr Beobachtung als Willenskraft, mehr Berechnung als Genie verlangt. Er hatte sich desselben bis zum 8. Thermidor mit so vielem Glück bedient, daß er es als die höchste Aufgabe der Politik betrachtete.
In einen höheren Kreis der Tätigkeit versetzt, zeigte er sich als ein gewöhnliches Parteihaupt ohne Ansehen, ohne Unternehmungsgeist, ohne Kühnheit. Robespierres Lobredner schreiben die Unentschlossenheit ihres Helden seiner übertriebenen Achtung vor dem
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