Tagebücher der Henker von Paris
dorthin ein zweites Mal um drei Uhr morgens zurück. Um fünf Uhr ließ der Stellvertreter Liendon meinen Großvater rufen und befahl ihm, die Guillotine fortzubringen und auf dem Grèveplatze aufzurichten. Charles Henri Sanson befand sich noch nicht in dem Hofe des Palastes, als man ihn zurückrief und ihm befahl, noch nicht fortzugehen. Man schickte vor ihm eine Depesche an das Sicherheitskomitee, und die Antwort ließ nicht auf sich warten. Diese Antwort änderte die Instruktionen, welche Fouquier geholt hatte: der Grèveplatz, den man ursprünglich zum Schauplatz der Hinrichtung gewählt hatte, war aufgegeben worden, und zwar wegen des Hasses, den die benachbarten Sektionen gegen Robespierre hegten und wegen der Hilfe, die sie dem Konvent geleistet hatten: es war beschlossen, Robespierre sollte den Tod auf dem Revolutionsplatze erleiden. Da man über die Stimmung der Bewohner der Vorstadt Saint Antoine nicht im klaren war, so befahl man Charles Henri, die Wagen, welche das Schafott tragen sollten, den Rundweg bis Monceaux fahren zu lassen.
Gegen sechs Uhr abends brach er mit seinen Gehilfen auf; weder er noch sein Bruder konnten folglich der Ankunft Robespierres und der außer dem Gesetz erklärten Deputierten in der Conciergerie beiwohnen; nur die Schließer erfuhren einige nähere Umstände. In der Stadt herrschte eine ungeheure Aufregung.
Trotz der frühen Stunde war die ganze Bevölkerung in die Straßen und auf die öffentlichen Plätze hinabgekommen. Man erzählte und besprach die Ereignisse der Nacht.
Prozeß und Hinrichtung
Simon.
Der Haß gegen dieses blutige Regiment war so allgemein und tief, daß bei diesen Volksverhandlungen niemand die Verteidigung des Tyrannen zu übernehmen wagte. Es war eine plötzliche Wendung eingetreten, und es schien, als hätte man niemals einen anderen gefürchtet, als denjenigen, auf den man doch noch unlängst seine Hoffnung zu setzen genötigt gewesen war. Der Zorn aller vermehrte sich in dem Maße, als man ihm allgemein seine Feigheit vorwarf. Man verknüpfte plötzlich die Schreckensregierung mit ihrem berüchtigten Apostel; man vergaß die bitteren Täuschungen, welche der Hinrichtung der Hébertisten und dem Feste des höchsten Wesens gefolgt waren; man vergaß, daß viel grausamere Terroristen, als Robespierre gewesen, noch an der Spitze der Regierung verblieben – so unmöglich schien es, daß das Revolutionstribunal und die Ausnahmegesetze, welche das Schafott in so fürchterlicher Weise speisten, die Triumvirn noch überleben könnten. – Man sah nur Leute, die sich Glück wünschten, die Hände drückten und umarmten; Freude und Hoffnung schimmerte auf allen Gesichtern. Die vorüberkommenden Ordonnanzen und Gendarmen wurden mit dem begeisterten Rufe: »Es lebe die Republik!« begrüßt; dieses Geschrei, welches sich wie ein Donner dahinzog, begleitete den Galopp ihrer Pferde: es war eine Trunkenheit, nicht die eines Sieges, sondern die Trunkenheit einer Auferstehung.
Der Konvent vom Thermidor hat sich die Ehre zugeeignet, den ersten Schritt außerhalb des Abgrundes getan zu haben; vielleicht wäre es gerecht, dieses Verdienst der öffentlichen Meinung zuzuschreiben, welche sich von der ersten Stunde so nachdrücklich kundgab, daß die Rückkehr zu jener traurigen Vergangenheit sehr schwer gewesen wäre. Das Schafott wurde abgebrochen und auf die Karren geladen. Während dieser Arbeit versammelte sich eine große Volksmenge auf dem Platz des umgestürzten Thrones. Trotz den robespierristischen Bestrebungen der Vorstadt zeigte diese Menge nicht die geringste feindliche Absicht gegen die Arbeiter. In dem Augenblick, als sich die Karren in Bewegung setzten, hörte man einige Stimmen rufen: »Glückliche Reise, und kommet nicht wieder!« Eine dichte Masse, worin sich junge Leute und Frauen in der Mehrzahl befanden, begleitete sie auf diesem letzten Wege bis auf den äußeren Boulevard und vermehrte sich noch durch eine große Menge Neugieriger, denen jene ihre Mutmaßungen über den Abbruch des Todeswerkzeuges mitteilten. Als man auf dem Revolutionsplatze ankam, war aus dieser Geleitschaft eine Armee geworden; in weniger als fünf Minuten war der ungeheure Raum so überschwemmt, daß es des Einschreitens der bewaffneten Macht bedurfte, um den Platz, wo das Schafott aufgestellt werden sollte, zu räumen. Es war zwei Uhr nachts, als man diese Arbeit beendigt hatte.
Mein Großvater und mein Vater waren mit ihren Gehilfen gegen Mitternacht in die Conciergerie
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