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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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zurückgekehrt. Die Aufregung in dem Gefängnis war nicht geringer als draußen, sie glich aber mehr dem starren Erstaunen als der Freude. Alle, die sich dort befanden, waren dem Tode so nahe, daß, als sie hörten, derjenige, in dessen Namen man sie opfern wollte, befände sich unter demselben Dache und in größerer Gefahr als sie selber, sie sich von einem Traum befangen glaubten, dem sie nicht trauen dürften. Wie ich schon oben sagte, war Robespierre zwischen 8 und 9 Uhr morgens in die Liste eingetragen worden; man brachte ihn in einen Kerker und legte ihn auf ein Bett, auf welchem Danton eine Nacht geschlafen hatte. Er ließ keine Klage, keinen Seufzer hören; seine Haltung war so, wie sie der Verfasser der letzten Augenblicke Robespierres und seiner Partei geschildert hat; er sprach nur zwei- oder dreimal, und seine Worte waren wegen seiner Wunde fast unverständlich. Man bot ihm Wasser und Leinwand; er verlangte nach einem Wundarzte. Er wurde darauf nach dem Hotel Dieu gebracht und zum zweiten Male verbunden. In die Conciergerie zurückgekehrt, versuchte er zu schlafen, seine Wunde hinderte ihn jedoch, Ruhe zu finden. Er erhob sich in sitzender Stellung und verlangte von seinem Kerkermeister Schreibmaterial; da bestimmte Anweisungen darüber erteilt worden, verweigerte man ihm dieselben. Die abschlägliche Antwort gab der Schließer in dem groben Tone, welcher solchen Leuten eigen ist. Robespierre entschlüpfte eine drohende, zornige Gebärde; gleich darauf aber gewann er wieder seine Teilnahmlosigkeit, schloß die Augen und versank in Nachdenken.
    Der jüngere Robespierre befand sich in einem Kerker dicht neben seinem Bruder; glücklicher als dieser, gelang es ihm, einige Augenblicke zu schlummern. Couthon war in das Kabinett der wachthabenden Schließer gebracht worden; Saint Just befand sich in jener Zelle, welche man zum Andenken an die Septembermetzeleien den Nationalklotz nannte.
    Das Tribunal war auf 10 Uhr berufen worden; es zeigte sich aber ein unerwartetes Hindernis. Ein Dekret verlangte, daß die Identität der Schuldigen, welche außer dem Gesetz erklärt waren, in Gegenwart zweier Munizipalbeamter festgestellt werde; da aber alle Mitglieder des Gemeinderats selber außer dem Gesetz erklärt waren, so war es unmöglich, dieser Formalität Genüge zu leisten. Fouquier begab sich zum drittenmal in den Konvent und schilderte die Schwierigkeit seiner Lage; die Versammlung schlug vor, man solle Departementsmitglieder an die Stelle der Munizipalbeamten berufen, und schickte den Bescheid den Komitees, welche mehrere Personen auswählten, um die Verurteilten anzuerkennen.
    Um ein halb ein Uhr trat das Tribunal seine Sitzung an; Scellier führte den Vorsitz; Fouquier-Tinville saß auf seiner Bank, der Stellvertreter Liendon war Besitzender. Der ältere Robespierre wurde auf einer Tragbahre herbeigebracht; Robespierre der Jüngere wurde von zwei Gendarmen unterstützt; zwei andere Gendarmen trugen Couthon in einem Lehnstuhl. Nachdem die Identität festgestellt war, brachte man sie wieder nach der Conciergerie, und das Tribunal führte die Prozesse gegen die Vorgeführten in der Reihe, wie man sie verhaftet hatte oder aus den Gefängnissen, in welchen sie sich seit dem Morgen befanden, herbeischaffte.
    Liendon hatte befohlen, die Verurteilten sollten, sowie sie von dem Gerichtshofe herabkämen, zugerüstet werden, so daß man sie bei der ersten Aufforderung zum Schafott führen könnte.
    Gegen zwei Uhr trat Charles Henri Sanson mit seinem Bruder und zwei Gehilfen in den Kerker Robespierres. Er lag ausgestreckt, seine Augen hatte er auf das Fenster gerichtet, welches sich seinem Bette gegenüber befand und durch welches ein schwacher Sonnenschimmer eindrang. Er machte keine Bewegung, als er sie kommen hörte, und wendete nicht das Haupt. Mein Vater nötigte ihn, aufzustehen; sein noch lebhafter Blick schien zu fragen: »Weshalb?« – Ehe man ihm antwortete, richtete er sich sitzend auf, stützte seinen Kopf mit der rechten Hand und hielt den Nacken hin, wodurch er den Wunsch ausdrückte, das Bett nicht zu verlassen. Man bemerkte ihm, daß es in dieser Lage schwer sein würde, den Verband seiner Wunde nicht zu verschieben. Die beiden Gehilfen nahmen ihn in ihre Arme und setzten ihn auf einen Stuhl. Man nahm die breite Binde weg, welche den Kinnverband, der seinen zerbrochenen Kinnbacken zusammenhielt, unterstützte, und während mein Großoheim das Haar abschnitt, hielt Charles Henri Sanson, der vor

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