Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
Vom Netzwerk:
die Äußerungen dieser Wut erstaunt; er blickte mit einer Art stummer Verwunderung um sich; als die Gendarmen ihn der Menge mit ihren Degenspitzen zeigten und die Verwünschungen sich unmittelbar gegen ihn lenkten, senkte er das Haupt, und in seinen großen, sanften, klugen Augen bemerkte man einen feuchten Schimmer, welcher Tränen ankündigte. Dumas antwortete auf eine beleidigende Anrede: »Es tut mir nur leid, daß ich nicht alle die Schurken, die uns jetzt beleidigen, habe guillotinieren lassen.« Couthon schüttelte auf diese Bemerkung zweifelnd das Haupt. Saint Just hielt es allein unter seiner Würde, sich dieser schrecklichen Kundgebung der öffentlichen Meinung bloßzustellen; er allein ertrug sie ohne Zorn, ohne Ärger, ohne Schwachheit. Vielleicht hielt ihn die Festigkeit seiner Überzeugung in diesem Sturm aufrecht; vielleicht verwendete der unerbittliche Fanatiker seine letzte Stunde dazu, die geheimnisvolle Tiefe der Zukunft zu ergründen, die Zwecke seiner Volksbeglückungstheorie, die sein Ideal gewesen war, weiter zu verfolgen. Nur ein einziges Mal stieg er von seiner Höhe herab, um den Ereignissen einige Teilnahme zu schenken. Eine Frau war herbeigekommen und warf Robespierre die Verurteilung ihrer Tochter vor. Bei dieser schluchzenden Stimme senkte Saint Just den Blick; er betrachtete sie mit einem Ausdruck, den man für Mitleid hätte halten können; als aber der Karren vorbei war, umschwebte ein bitteres Lächeln sein ehernes Gesicht, und man hörte ihn murmeln: »Ihre Tochter! sie würde sie wahrscheinlich für zwanzig Livres verkauft haben.«
    Als man auf die Höhe von Assomption, dem Hause der Familie Duplay gegenüber, welches Robespierre als Wirt und Hausfreund bewohnt hatte, angekommen war, machten die Wagen halt. Das Volk schloß einen Kreis um die Karren und tanzte einen Ringtanz; ein Kind brachte einen Eimer voll Blut von einem der benachbarten Schlächter herbei, und man bestrich mittels eines Besens die Außenseite des Hauses damit. Vergebens befahl Charles Henri den Gendarmen, ihm einen Durchweg zu bahnen; vergebens berief er sich auf die Pflicht und Achtung, die man dem Unglück schuldig sei; die Gendarmen wendeten ihre Pferde um, mischten ihr Hohngeschrei mit dem der Wütenden und versetzten sie in noch größere Aufregung. Dies war jedenfalls ein klägliches Schauspiel, von welchem sich jedes edle Herz, welcher Parteimeinung es auch zugehörte, mit Unwillen abwendete. Wem kann man aber die Verantwortlichkeit dafür anders aufbürden als denjenigen, die zuerst diese schimpflichen Beleidigungen hervorgerufen und verlangt hatten, daß der Beifall einer schmachvollen Schar ihre Feinde bis jenseits des Grabes verfolge? Ein Jacques Roux konnte Ludwig XVI. antworten: »Ich bin hier, um dich zur Guillotine zu führen, und nicht, um deine Aufträge anzunehmen!«
    Einem Gramont war es erlaubt, derjenigen, die er während ihrer letzten Lebensstunden beschützen sollte, einer Frau, einer Königin, einer Mutter eine feige Beleidigung entgegenzuschleudern! Die Kerkermeister, welche den unglücklichen Bailly noch vor seinem Märtyrertode gequält hatten, waren ohne Verweis davongekommen! Jedesmal, wenn ein Elender einer Majestät in das Antlitz spie, fand sich bei den Jakobinern, im Konvent oder in den Komitees ein Redner, der lächelte oder Bravo schrie, der den Patriotismus des Beleidigers rühmte, um Frankreich ein Beispiel zu geben! Man hatte es sich zur Aufgabe gemacht, das Herz des Volkes so zu stimmen, wie das Herz jenes römischen Kaisers, welcher verlangte, seine Opfer sollten das Sterben fühlen; man wünschte ihm den Ingrimm jenes anderen Kaisers, der den Wunsch aussprach, das römische Volk möchte nur einen Kopf haben, damit er ihn mit einem einzigen Streiche abschlagen könnte. Und es finden sich heute große Geschichtschreiber, die darüber erstaunen, daß dieser Samen Früchte getragen, daß jene Männer, jene Weiber, denen man den Glauben an Menschlichkeit, Gnade und Seelengröße geraubt hatte, sich nicht mitleidvoll zeigten, weil der Leidende an jenem Tage Robespierre hieß.
    Diese schreckliche Station währte länger als fünf Minuten. Als Robespierre sich jener Wohnung gegenübersah, wo er schon vor langer Zeit die Tage seiner Größe erlebte, wo er vielleicht einige glückliche Stunden zubrachte, deren Erinnerung als letzte Planke im Schiffbruch vielleicht in seinen Gedanken vorherrschte, schloß er krampfhaft die Augen, die er beim Anhalten der Wagen geöffnet hatte, und

Weitere Kostenlose Bücher