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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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Robespierre stand, den Verband nach den Schläfen hinauf fest. Als dies beendigt war, legte mein Großvater das Verbandzeug wieder an seine Stelle, und Robespierre machte ihm, ehe er nach seinem Bette ging, ein Zeichen mit dem Kopfe, welches auszudrücken schien: »Es ist gut!« oder vielleicht: »Ich danke.«
    Saint Just ging in seiner Zelle auf und nieder, als die Scharfrichter eintraten. Er war ein wenig bleich, seine Augen hatten aber nichts von ihrem sicheren und stolzen Ausdrucke verloren. Er setzte sich nieder und ließ sich das Haar abschneiden, ohne ein Wort zu sprechen; als dies geschehen war, reichte er Charles Henri von selber die Hände dar; als dieser ihm sagte: »Noch nicht«, murmelte Saint Just: »Desto schlimmer!« Dies war das einzige Wort, das er sprach, und dies, ohne die Miene stolzer Gleichgültigkeit zu verändern, ohne die Ungeduld, welche in diesem Worte lag, in seinem Gesicht kundzugeben.
    Couthon war der einzige der drei Triumvirn, der niedergeschlagen war; seine Niedergeschlagenheit entsprang aber eher aus Traurigkeit als aus Furcht. Dueray war während des Anzugs in sein Kabinett getreten, und gegen diesen äußerte er sich mit Bitterkeit über das Geschehene. Gegen Collot d'Herbois schien er am meisten erbittert.
    Um vier Uhr hatte das Tribunal eine große Zahl der außer dem Gesetz erklärten Personen rekognosziert. Es entstand ein neuer Austausch von Botschaften zwischen dem Gerichtshöfe und dem Sicherheitskomitee in betreff der Verurteilten, die noch an demselben Tage hingerichtet werden sollten. Ihre Zahl belief sich auf einundzwanzig.
    Es waren: Henriot, ehemaliger kommandierender General der bewaffneten Macht; Lavalette, ehemaliger Brigadegeneral bei der Nordarmee; Dumas, ehemaliger Vorsitzender des Revolutionstribunals; Payan, Nationalagent beim Gemeinderat; Vivier, Richter beim Tribunal und Präsident der Jakobiner; der Maire von Paris, Lescot Fleuriot; der Schuhmacher Simon, der schändliche Erzieher des Sohnes Ludwigs XVI. und Mitglied des Gemeinderats; außerdem zehn andere Munizipalbeamte. Henriot hatte in der Gasse, wo man ihn fand, einen Bajonettstich bekommen, durch welchen ihm ein Auge aus seiner Höhle gerissen wurde. Blutend, entstellt und mit Kot bedeckt, war er scheußlich anzusehen. Es konnte nichts Schrecklicheres geben, als sie die Treppe in der Conciergerie hinabsteigen zu sehen; zwei Sterbende und ein Kranker befanden sich an der Spitze, und der klägliche Zug wurde von einem Toten beschlossen. Gerechte, aber schreckliche Vergeltung des Schicksals: der Leichnam von Lebas folgte Robespierre, wie der Leichnam von Valazé den Girondisten gefolgt war.
    Um halb fünf Uhr fuhren die Karren ab und bogen auf die Kais hinaus. Was ich von der Menge erzählt habe, welche die großen Toten begrüßte oder beschimpfte, kann keine Vorstellung geben von dem Volkszudrange, der sich am 10. Thermidor in den Straßen zeigte, durch welche die Verurteilten geführt wurden. Ganz Paris war dort, nicht weniger neugierig als damals, aber in größerer Aufregung, das Herz von verhaltener Trauer, von heimlich verschluckten Tränen geschwellt; zitternd vor Zorn, vor Haß, vor Rache, vor Reue, in den mannigfaltigsten, lange verhaltenen Empfindungen, die plötzlich überflossen wie ein Strom, dessen Dämme ein Sturm durchbrochen hat. Es war nicht mehr das Geschrei eines Fanatismus, der aufrichtig erscheinen wollte, sondern der Ausbruch der Gemüter, die sich von einer Angst befreit fühlten, mit welcher verglichen der Tod eine Wohltat war; es war das Geschrei der Verzweifelten, denen man Hoffnung wiedergab, der stumme Fluch, der plötzlich eine Stimme fand, es war die Menschlichkeit, die wieder festen Boden fühlte.
    Alle Schriftsteller haben die näheren Umstände dieses Trauerzuges geschildert. Ich habe den Mitteilungen, welche sie geben, nur wenig hinzuzufügen. Das Drama trug sich mehr in der Umgebung der Scharfrichter als unter ihnen selber zu, mehr in den Straßen als auf den Karren. Robespierre, in dem Wagen sitzend (nicht stehend und mit Stricken befestigt, wie Michelet in seiner Geschichte der Revolution behauptet), auf einer dünnen Schicht Stroh, welche ein Gehilfe ihm untergelegt hatte, lehnte den Rücken gegen die Wagenleiter; sein Gesicht, noch mehr geschwollen als am Morgen, war auch bleicher. Das Geschrei und die heftigsten Schimpfworte fanden ihn unempfindlich; er hielt seine Augen fast immer geschlossen. Sein Bruder war beinahe der Empfindung beraubt. Couthon schien über

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