Tagebücher der Henker von Paris
Schaluppe brachte die Verschworenen auf die Felsenriffe; ein ins Vertrauen gezogener Fischer, der auf dem Gipfel des Gestades wohnte, wickelte ein ungeheuer langes Tau ab, band es an Ankerpfähle und ließ es in den Abgrund hinunter; mit Hilfe desselben erklommen die, kühnen Abenteurer das Gestade, zwischen Himmel und Meer, zwischen Leben und Tod schwebend, in Gefahr, nicht nur beim geringsten Schwindel in den Abgrund zu stürzen, sondern auch an den Felsen zu zerschellen, sobald der Wind die gebrechliche Leiter in Schwanken setzte. Als sie erst den Boden Frankreichs betreten hatten, erreichten sie Paris auf verschiedenen Straßen, auf deren jeder die Etappenplätze und die Nachtherbergen schon vorher bestimmt und vorbereitet waren.
Inzwischen waren zwei Chouans, Picot und Lebourgeois, von den Polizeiagenten, welche Frankreich in London unterhielt, signalisiert und in Pont-Audemer verhaftet worden; sie wurden einer Militärkommission überliefert, vor welcher sie erklärten, daß sie wieder nach Frankreich gekommen seien, um Bonaparte nach dem Leben zu trachten. Man hoffte von ihnen Aufklärung über die mutmaßliche Verschwörung zu erhalten; sie ließen aber kein Wort laut werden, wodurch ihre Mitschuldigen bloßgestellt worden wären. Sie wurden erschossen; vor dem Tode erklärten sie jedoch, daß sie unfehlbar gerächt werden würden, daß Bonaparte springen müßte. Diese Drohung bestärkte die Regierung in ihren Befürchtungen. Einige Tage nach der Hinrichtung von Picot und Lebourgeois war ein ehemaliger Offizier Georges Cadoudals, ein gewisser Querelle, aus der Niederbretagne gebürtig, auf die Anzeige eines seiner Gläubiger verhaftet worden. In Rücksicht auf seine Vergangenheit wurde er ebenfalls vor ein Militärgericht gestellt und zum Tode verurteilt. Er war weit entfernt, dem Tode mit gleicher Festigkeit ins Auge zu sehen wie seine Genossen, und um einige Stunden seines Lebens zu gewinnen, erklärte er, daß er Enthüllungen zu machen beabsichtige. Diese Enthüllungen waren viel wichtiger, als man erwartet hatte. Querelle erklärte, daß Georges Cadoudal sich in Paris befände; er überlieferte das Geheimnis der Landung auf dem Felsengestade bei Béville und meldete, daß einer der französischen Prinzen auf demselben Wege in Frankreich eindringen und sich an die Spitze der Verschwörung stellen würde.
Durch die Verhaftung des ehemaligen Abbé David, welcher vor Lajolais als Mittelsperson zwischen Pichegru und Moreau gedient hatte, war der letztere dieser Generäle verdächtig geworden; der Bericht eines Londoner Agenten, wonach Pichegru und die Adjutanten des Grafen von Artois, von Polignac und von Rivière, sich ebenso wie Cadoudal in Paris befinden sollten, ließ vermuten, daß eine Annäherung zwischen beiden Seiten vollzogen sei, daß Republikaner und Royalisten sich verständigt hätten. Die Gefahr nahm also einen solchen Umfang an, daß man keine Minute verlieren durfte, ihr mit aller Kraft entgegenzutreten.
Der Oberlichter, der Justizminister, stattete der Regierung einen Bericht ab, und diese teilte denselben dem Senat, dem gesetzgebenden Körper und dem Tribunal mit; die erstere dieser Versammlungen erließ einen Senatsbeschluß, wodurch die Amtsverrichtungen der Geschworenen in allen Departements der Republik betreffs aller Verbrechen des Mordes und des Verrats aufgehoben und die Untersuchung den durch das Gesetz vom Floreal des Jahres X eingerichteten Kriminalgerichten überwiesen wurde; gleichzeitig mit diesem Senatsbeschluß wurde ein Gesetz gegen die Verheimlichung der Verschworenen erlassen, welches lautete:
Art. 1. Die Verheimlichung von Georges Cadoudal und sechzig Räubern, welche sich gegenwärtig in Paris und der Umgegend verborgen halten und von England besoldet sind, um dem Ersten Konsul nach dem Leben zu trachten und die Sicherheit der Republik in Gefahr zu setzen, soll als Hauptverbrechen erachtet und bestraft werden.
Art. 2. Als Verschwörer werden angesehen diejenigen, welche, vom Erlaß des gegenwärtigen Gesetzes an gerechnet, einen oder mehrere der im vorhergehenden Artikel besagten Personen aufgenommen oder behütet haben, wofern sie nicht binnen vierundzwanzig Stunden nach der Aufnahme der Polizei Anzeige machen, es mögen diese Personen noch bei ihnen wohnen oder sich an einem anderen Orte befinden.
Art. 3. Diejenigen, welche vor der Verkündigung dieses Gesetzes Pichegru oder die vorerwähnten Personen aufgenommen haben, sind gehalten, der Polizei binnen acht
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