Tagebücher der Henker von Paris
näherte sich dem Hause; als er die Hand an den Klopfer der Tür legte, öffnete sich diese, und er sah sich einem Manne gegenüber, der ihm ganz unbekannt war, ihn aber zu seinem großen Staunen beim Namen nannte und einlud, näherzutreten.
Dieser Mann ließ ihn in die obere Etage hinaufsteigen, führte ihn in das Magazin, das unsere Leser schon kennen, und dort fragte er ihn mit einer Verlegenheit, die sich nur unvollkommen verbergen ließ, welche Veranlassung ihn nach Paris führe, wo die geringste Gefahr, die er liefe, das Gefängnis sei. Hierauf erklärte er ihm ohne Einleitung oder ohne ihm die Zeit zu einer Einwendung zu lassen, daß er selbst sich Chavance nenne und die Witwe Jean Larchers geheiratet habe.
Nicolas hörte ihn mit Staunen an und wußte nicht, ob er wache oder träume.
Chavance sagte ferner, dadurch, daß die Mutter seine Briefe nicht beantwortet, habe sie ihm zu verstehen geben wollen, daß er seinerseits suchen möge, sich durch Heirat eine neue Familie zu schaffen.
Und als Nicolas nun erwiderte, daß nichts in der Welt eine Mutter ersetzen könne, rief er mit einer gewissen Heftigkeit, die Religion habe Frau Chavance von allen Verpflichtungen gegen einen Sohn befreit, der in seiner Ketzerei so hartnäckig sei, auch habe sie andere Kinder aus ihrer zweiten Ehe und also auch andere Pflichten.
Dann sagte er noch mit einem zweideutigen Lächeln, er fürchte, daß die kindliche Liebe nicht der einzige Grund seiner Reise sei; zweifellos hätte er, als er den Tod seines Vaters vernommen, daran gedacht, einen Erbschaftsanteil heben zu können, aber er müsse ihm auf der Stelle sagen, daß eine solche Erbschaft gar nicht existiere. Jean Larcher sei zahlungsunfähig gestorben, die Gläubiger hätten das Haus verkaufen lassen und er, Chavance, habe es zurückgekauft; die Witwe sei in die größte Armut geraten, die Liebe und Ergebenheit des alten Gesellen hätten sie aus dem Elende gerettet.
Als Chavance diese Erzählung beendet hatte, nahm er mit sonderbarer Eile einige Papiere aus einer Schachtel, gab sie Nicolas in die Hand und forderte ihn auf, sich von der Wahrheit dieser Versicherungen zu überzeugen.
Nicolas stieß diese Papiere zurück und bat ihn inständigst, er möge ihm wenigstens erlauben, seine Mutter zu umarmen. Aber durch die Sanftmut und Geduld des jungen Mannes ermutigt, war die Sprache Chavances befehlshaberischer geworden. Er erwiderte, daß das, was jener wünsche, unmöglich sei, daß seine Anwesenheit in diesem Hause allein schon große Gefahr für die habe, die es bewohnten, daß es ihm gar nicht einfalle, so enden zu wollen, wie Jean Larcher geendet habe, daß er ihn also auffordere, Paris zu verlassen und so schnell als möglich nach England zurückzukehren, und daß, wenn er dies nicht tue, er, der vor allem besorgt sei, immer Gott und dem Könige zu gehorchen, selbst gehen werde, die Anwesenheit eines Kalvinisten in seiner Wohnung anzuzeigen.
Zitternd vor Bewegung fiel Nicolas, ungeachtet der tiefen Abneigung, die er gegen den fühlte, welcher den Platz seines Vaters eingenommen hatte, vor ihm auf die Knie nieder und beschwor ihn, er möge ihn nicht in das Exil zurückkehren lassen, ohne den Trost einer letzten Liebkosung von der, die ihm das Leben gegeben, mitnehmen zu dürfen.
Aber sein Stiefvater stieß ihn roh zurück und erneuerte seine Drohungen. Da öffnete sich die Tür, und Frau Chavance, die wahrscheinlich in der Nebenstube alles gehört hatte, was zwischen ihrem zweiten Manne und ihrem Sohne vorgegangen war, stürzte höchst aufgeregt in das Magazin und warf sich an die Brust des armen Nicolas.
Chavance geriet in einen Anfall wilder Wut, als er sah, daß die mütterliche Zärtlichkeit stärker als seine Einflüsterung sei. Es fehlte wenig daran, daß er seine Frau malträtierte, aber besiegt von ihren Tränen und Bitten, gab er ihr zehn Minuten Zeit, um ihrem Kinde Lebewohl zu sagen, und ging dann aus dem Magazin, mit aller Art von Flüchen schwörend, daß, wenn diese zehn Minuten verflossen und Nicolas noch im Hause sei, er selbst zum Polizeileutnant gehen werde.
Sei es Schrecken oder Liebe, Chavance schien einen solchen Einfluß auf die Mutter Nicolas' auszuüben, daß sie, sobald sie sich mit ihrem Sohne allein befand, ohne die Fragen zu hören oder zu beantworten, die er über das tragische Ende seines Vaters an sie richtete, ihn vielmehr im Namen ihrer Ruhe beschwor, nicht einen unsinnigen Widerstand zu versuchen und sich schleunigst
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