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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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hervorgerufen; er war bereits entschlossen, ihm zu helfen, da er voraussetzte, diese Tränen seien eine Folge großer Armut. Er glaubte daher nicht indiskret zu sein, als er ihn fragte, weshalb er weine.
    Der junge Mann erwiderte, wenn er Tränen vergieße, so sei dies weder weil er Hunger noch weil er Durst habe; er weine bei dem Gedanken, daß er jetzt mitten unter den Seinigen sitzen sollte, im Hause seines Vaters, daß sich aber die Tür dieses Hauses eben vorher vor ihm verschlossen, daß die, denen er durch die Bande des Blutes angehöre, ihm den Anteil an den Freuden der Familie, den ihm ein Fremder so großmütig angeboten, verweigert hätten.
    Die Gäste schwiegen und senkten den Kopf. Mein Ahne war sehr blaß geworden, man sah große Schweißtropfen auf seiner Stirn perlen; er ergriff den jungen Mann bei der Hand und führte ihn in sein Schlafzimmer, das im oberen Stockwerke lag.
    Dort erzählte ihm der Gast, daß er Nicolas Larcher heiße und der Sohn Jean Larchers sei, des Buchbindermeisters, der sechs Jahre zuvor als Besitzer und Verbreiter einer Schmähschrift gehangen worden sei.
    Wie ich schon im vorhergehenden Kapitel erklärte, hatte der Sohn sich zur Zeit der Katastrophe, die seinen Vater betraf, in England aufgehalten.
    Einige Monate vor seinem Tode hatte dieser an ihn geschrieben; sein Brief war traurig und voll schmerzlicher Stellen gewesen. Er hatte eine ansehnliche Zahlung zu leisten, und es fehlte ihm noch an einer gewissen Summe; er bat seinen Sohn, der damals eine Stelle bei einem Londoner Buchbindermeister gefunden hatte, ob er ihm nicht diese Summe verschaffen könne.
    Der Sohn hatte darauf geantwortet, indem er alles, was er besaß, seinem Vater schickte; der letztere hatte ihm noch den Empfang des Geldes angekündigt, dann war Nicolas Larcher ohne alle Nachrichten geblieben.
    Der Krieg und die auf den Briefwechsel der ausgewanderten Protestanten ausgeübte Überwachung erschwerten ihre Verbindung sehr, machten sie zwischen Frankreich und England sogar fast unmöglich.
    Nicolas, der dies recht gut wußte, beunruhigte sich nicht allzusehr. Als das Schweigen der Seinigen aber immer länger dauerte, begriff er endlich, daß ein großes Unglück seine Familie betroffen haben müsse; dennoch erfuhr er erst nach dem Frieden von Ryswik von einem Franzosen das elende Ende seines Vaters.
    Er konnte nicht glauben, daß eine Mutter, die bis zum Tage seiner Abreise in das fremde Land nicht aufgehört hatte, ihm Beweise der größten Zärtlichkeit zu geben, ihr Kind vergessen haben sollte; er vermutete daher, daß auch sie tot sei, und von Angst verzehrt hatte er den Entschluß gefaßt, alles zu leiden und allem zu trotzen, um sich Gewißheit zu verschaffen.
    Sobald er nur imstande gewesen, den Weg zu machen, war er abgereist, nachdem er die Überfahrt durch das Mitleid eines Schiffskapitäns frei erhalten hatte; er erbettelte sein Brot und verbarg sich unter einem falschen Namen, denn wenn er erkannt worden wäre, so hätten ihn die Edikte zu den Galeeren des Königs verurteilt.
    Nach mancherlei Abenteuern war er in Paris angekommen und war auf der Stelle nach der Rue Lions gegangen, nicht weil er dort seine Mutter wiederzufinden gedachte, sondern weil er den Ort wiedersehen wollte, wo sie gelebt hatte, weil er hoffte, hier am ehesten etwas über ihr Geschick zu erfahren.
    Als sein Auge, nachdem er am Zölestinerkloster vorüber und längs der Mauern des Hotels Fieuber gegangen war, in die Straße Lions blicken konnte, sah er zu seiner großen Überraschung das Wahrzeichen des »goldenen Buches«, wie es sich an seiner Eisenstange wiegte und noch viel glänzender, als es je gewesen, aussah.
    Er beschleunigte seine Schritte, aber bald hielt er kurz an, als ob seine Beine ihm den Weg versagt hätten: er hatte nämlich auf der Schwelle der Ladentür eine Frau erscheinen sehen, in der er seine Mutter erkannte.
    Er hatte rufen wollen, aber die Stimme ließ ihn im Stiche wie vorher schon die Beine; er hatte nur einen Namen stottern und seine Arme gegen sie gewaltsam ausstrecken können.
    Die Witwe Jean Larchers hatte auch ihn erblickt; ihr Gesicht war ebenso bleich geworden wie ihr Brustschleier, aber sie konnte ihr Kind doch wohl nicht erkannt haben, denn sie war schnell wieder in das Haus zurückgetreten.
    Nicolas wankte wie ein Berauschter, und das Glück, diejenige, welche er tot geglaubt hatte, lebend wiedergefunden zu haben, beherrschte alle übrigen Gefühle, die sein Herz zusammenpreßten.
    Er

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