Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
Vom Netzwerk:
letztemal, daß er ihn sähe.
    Den Dienstag (14. Januar) trieb er sich in der Umgegend des Schlosses umher. Der König war in Trianon. Damiens klagte zu seiner Wirtin darüber, daß diese Abwesenheit des Königs die Geschäfte, die er hier habe, verzögere.
    Am Mittwoch frühstückte er mit gutem Appetit; er ging erst gegen zwei Uhr nachmittags aus dem Wirtshause und begab sich direkt nach dem Schloß. Im Hofe bemerkte er die Pferde der Musketiere und ließ sich mit einem Knechte zu Fuß in ein Gespräch ein, wodurch er erfuhr, daß der König zu Versailles bei seinen Tanten sei und erst abends nach Trianon zurückkehren werde.
    Er strich wieder in den Schloßhöfen bis zum Dunkelwerden umher. Um halb sechs Uhr belehrte ihn die Bewegung unter den Pferden und Wagen, daß der König abreisen wolle. Damiens folgte dem königlichen Wagen, den Knechte mit angezündeten Fackeln begleiteten, bis in den Marmorhof, wo er anhielt, und verbarg sich in einer Nische des Treppengewölbes.
Das Attentat
Peinliches Verhör im Schloß; die Haft; Machault, d'Argenson.
    Ludwig XV. kam, begleitet von dem Herrn Dauphin und einem Teil seines Hofstaates, aus den Zimmern seiner Tanten; er schlug von der Treppe den Weg nach dem Wagen ein, der ihn, wie gesagt, erwartete. Es war finster und kalt, und jeder hatte sich in das neuerdings aus England eingeführte Kleidungsstück gehüllt, das unsere Nachbarn
Reading-coat
nannten. Der König hatte zwei solcher Überzieher übereinander, der zweite war von Pelz.
    In dem Augenblicke, als er den Fuß auf den Samttritt setzte, stürzte ein Mann mit dem Hute auf dem Kopfe mitten durch die Garden hindurch, drängte sich zwischen dem Herrn Dauphin und dem Herzog von Ayen hindurch und warf sich auf den König, der sogleich schrie:
    »Oh, man hat mir einen furchtbaren Faustschlag versetzt!«
    In der Verwirrung, die durch die doppelte Bewegung der Neugierigen, die den König sehen wollten, und der Garden, die sie zurückstießen, entstand, konnte sich niemand von dem, was geschehen war, Rechenschaft geben. Nur ein kleiner Fußknecht namens Selim hatte zu sehen geglaubt, wie ein Unbekannter die Hand auf die Schulter des Königs gelegt hatte; er warf sich auf ihn und, von zwei seiner Kameraden namens Fiefré und Waverelle unterstützt, hielt er ihn fest.
    Unterdessen hatte der König die Hand unter seine Weste gesteckt und zog sie ganz blutig zurück.
    »Ich bin verwundet«, sagte er.
    In demselben Augenblicke drehte er sich um, und als er den Mann erblickte, den die Knechte festhielten und der noch den Hut auf dem Kopfe hatte, setzte er hinzu:
    »Der ist es, der mich getroffen hat. Man arretiere ihn, aber auf keinen Fall tut ihm ein Leid.«
    Und er ging in sein Zimmer zurück, gestützt auf die Herren von Brienne und Richelieu.
    Die Leibwachen des Königs und die Hundert-Schweizer bemächtigten sich sogleich des Mörders und führten ihn in ihren Wachtsaal.
    Er war ein Mann von vierzig bis fünfundvierzig Jahren, von hoher Figur, mit schmalem Gesichte, einer Adlernase, sehr tiefliegenden Augen und krausen Negerhaaren; seine Hautfarbe war so dunkel, daß er, trotz der inneren Bewegung, die er empfinden mußte, nicht einmal blaß geworden zu sein schien. Bekleidet war er mit einem braunen Regenrock, einem Rock von grauwollenem Zeuge, einer Weste von grünlichem Samt und einer Hose von rotem Plüsch.
    Auf die ersten Fragen, die man an ihn richtete, erklärte er, daß er François Damiens heiße; er sagte, er sei es gewesen, der den Stoß geführt habe, und er habe dies für Gott und das Volk getan.
    Ein Garde-du-Corps namens Bonot fragte ihn, ob er das Geld, das man bei ihm gefunden, nicht als Belohnung für das Verbrechen, das er begangen, von jemand erhalten habe.
    »Darauf habe ich Ihnen keine Antwort zu geben«, erwiderte er demselben heftig.
    Dann sagte er, als sei er plötzlich von Reue ergriffen worden: »Man sehe sich mit dem Herrn Dauphin vor! Daß der Herr Dauphin heute nicht ausgehe!«
    Nun begannen die Garden ein außergerichtliches Verhör, und in der Hitze ihres Eifers ihre doppelte Eigenschaft als Edelleute und Offiziere vergessend, erröteten sie nicht, sich zur Ausübung des Geschäftes von Henkersknechten herabzulassen; sie banden Damiens auf eine Bank und begannen ihn zu quälen und zu verhören.
    Unterdessen war der König in seine Zimmer geführt, entkleidet und zu Bett gebracht worden.
    Damiens' Messer, das eine dreifache Bekleidung zu durchdringen gehabt, hatte Ludwig XV. an der inneren und

Weitere Kostenlose Bücher