Tagebücher der Henker von Paris
endlich inne zu werden, daß all ihr Leugnen und künstliches Gespinst von Unwahrheiten sie nicht mehr retten könne.
In der Nacht vom 29. zum 30. August wurden alle in die Halsbandgeschichte Verwickelten aus der Bastille in die Conciergerie gebracht, und am 5. September übergab ein Handschreiben des Königs den Prozeß dem obersten Gerichtshofe.
Das erwähnte Handschreiben befahl das strengste Verfahren, besonders in bezug auf den Kardinal, und zeigte, wie erbittert der König über die sein Haus angreifenden und beleidigenden Vorkommnisse war.
Man wird sich wohl leicht denken können, was ein derartiger Prozeß für Aufsehen machen mußte. Der gesamte Adel Frankreichs hielt sich in der Person eines seiner höchsten und hervorragendsten Glieder an dem Prozeß für beteiligt, und die Geistlichkeit des Königreichs, welche ihr Vorrecht geltend machte, über den Kardinal zu Gericht zu sitzen, legte bei dem Hofe Widerspruch gegen das oben bezeichnete Verfahren ein. Diese Widersprüche, die zwei Jahrhunderte vorher einen weit bedeutenderen Rechtshandel vernichtet hätten, brachten nun nicht die geringste Wirkung mehr hervor. – Selbst aus Rom erging an Herrn de Rohan die Aufforderung, vor dem Tribunal der Kardinäle zu erscheinen, um über die Vorkommnisse Rechenschaft abzulegen, und es war dieser Vorladung die bestimmte Mitteilung beigefügt, daß er, wenn er nicht erschiene, seines Titels und seiner Würden enthoben werden sollte, bis er sich gerechtfertigt haben würde. – Aber diese Erklärung des heiligen Vaters war ebenso erfolglos wie die der Geistlichkeit.
Die gerichtlichen Verhandlungen nahmen am 22. Dezember früh ihren Anfang.
Frau de la Motte nahm mit der ihr eigentümlichen Grazie auf ihrem Sessel Platz. Ihre Haltung, sagte ein Schriftsteller jener Zeit, war so sicher, daß sie wie in ihrem Zimmer und im weichsten Lehnsessel zu ruhen schien.
Sie antwortete mit vieler Geistesgegenwart und Sicherheit auf alle Fragen des Präsidenten. Nach ihr erschien der Kardinal und nahm auf der Anklagebank der vor das Obergericht geführten Vornehmen Platz. Die Parlamentsmitglieder bezeigten ihm viel Achtung. Man konnte aus ihrem Benehmen gegen den zumeist Angeklagten deutlich herausfühlen, daß sie dem Herrn de Rohan vollständig günstig gesinnt waren, wie überhaupt die öffentliche Meinung, meist aus besserer Einsicht, bisweilen aber auch aus Widerspruchssinn, gegen den Fürsten ist.
Am 29. Dezember erließ der Generalprokurator sein Urteil. Es war sehr streng in bezug auf den Kardinal und verlangte als Buße so viel Entehrendes von Herrn de Rohan, daß es nicht wahrscheinlich war, daß er sich diesem Spruch unterwerfen würde, da derselbe ihn für sein ganzes noch übriges Leben vernichtet hätte. Bei der Vorlesung dieses Beschlusses rief Herr de Barillon laut: daß dies nicht das Urteil des Generalprokurators, sondern vielmehr das eines Ministers sei, den man unschwer daraus erkennen könne. Natürlich wollte er mit diesem Minister Herrn de Breteuil bezeichnen. – Auf seinen Wunsch unterbrach der Generaladvokat Séguier sehr lebhaft den Vorleser Herrn de Fleury.
Der Endbeschluß wurde am 31. Dezember abends neuneinhalb Uhr verkündet. Er lautete der Hauptsache nach wie folgt:
Die dem Prozeß zugrunde liegenden, angeblich von der Königin abgefaßten und unterzeichneten Schriftstücke, Briefe usw. haben sich nach den strengsten Untersuchungen als gefälschte Machwerke herausgestellt, welche nur in betrügerischer Absicht Ihrer Majestät untergeschoben worden.
Der Graf de la Motte ist als schuldig erkannt und somit zu den Galeeren verurteilt worden.
Jeanne de Saint-Rémy-Valois, die Frau de la Mottes, ist verurteilt worden, den Strick um den Hals, Kirchenbuße zu tun, ausgepeitscht, auf beiden Schultern mit dem Buchstaben V gebrandmarkt und endlich auf Lebenszeit in dem Spital eingesperrt zu werden.
Marc-Antoine Rétaux de Villette wird hiermit für ewig aus dem Königreich verbannt.
Die Demoiselle d'Oliva darf bei Strafe nicht mehr am Hofe erscheinen.
Herr de Cagliostro wird nach Beschluß des Obergerichts von jeder Anklage entlastet, und
der Kardinal Herr de Rohan, in jeder Beziehung für unschuldig erklärt, hierdurch berechtigt und angewiesen, wegen der für ihn in dem Schriftstück der Gräfin de la Motte enthaltenen boshaften Beleidigungen, das ganze Urteil des Parlaments drucken und in der Öffentlichkeit verbreiten zu lassen.
Dieser Beschluß wurde mit einem gewissen Enthusiasmus
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