Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)
nur als kleine Anmerkung, ist nachzutragen: Von all den eher entbehrlichen Bildern – also solchen, denen ich nicht in großer Trauer nachweine – die ich zur Hauswedell-Auktion gegeben habe – – – – – – – ist nur der kleine Tom Wesselmann verkauft, den mir damals Ledig nach unserer «Scheidung» mit dem Brief schickte: «Möge es dieses kleine Format sein, das Sie mir im Herzen bewahren.» Nun verauktioniert …
22. Februar
Kopfwehgeplagt auf Seite 72 (!!) des Kubaberichts, der nie erscheinen wird. Kopfweh wegen Flucht. Und Flucht wegen: Gestern also das «Fest» zum 50. Jahrestag der ZEIT, zu allwelchem Zwecke in den «Festsälen» des Hotel Atlantic (schon das: biederer geht’s nimmer) sich ca. 400 Menschen trafen, die das waren, was sie wohl unter «festlich gekleidet» verstehen; und das heißt, die Herren – ob Bundeskanzler oder Bote – im feierlichen Schwarzen mit entweder schwarzer (also wie zur Beerdigung) oder hellgrauer (also Kellner-)Krawatte; die Damen in dem, was man wohl «Cocktailkleid» nennt. Zur Begrüßung ein Gläschen Sekt, dann sehr lange gar nichts, dann ohrenbetäubende Musik von 6 weißen Negern, und als man meinte, man sei zu der leckeren Steckrübensuppe erlöst, begannen die Reden. Welchselbe alle von Erfolg, Auflage, Anzeigeneinkommen oder Digitalsatz zu berichten wußten. Vom INHALT des Blattes aber keineswegs. Nur, daß halt «die Gräfin» so süß sei – so süß, wie der Wein war, reiner ALDIschloßabzug, von dem ich dennoch zuviel trank. Als dann schließlich das allseits beliebte WENN IN CAPRI DIE ROTE SONNE IM MEER VERSINKT erklang und nicht etwa als lustige Parodie aufgefaßt wurde (vielmehr wurden allen Ernstes die Augen der Herren Sommer oder Dohnanyi oder zweier älterer Herren an meinem Tisch feucht, sie sangen mit!), flüchtete ich nach Hause.
29. Februar
Schockiert von einem Besuch bei Platschek in der geriatrischen (!!) Klinik, wo ich ein uraltes Hühnchen fand, faselnd, Fades witzelnd, ungepflegt, in uralter Trainingshose, zerrissenem Pullover und orangefarbenen Plüschpantoffeln (nur ein Zeichen, daß sich NIEMAND um ihn kümmert, daß er keinen Menschen hat, der ihm auch nur einen anständigen Pyjama oder Morgenmantel besorgt). Der Charme, der Witz, die sprühende berlinisch-jüdische Frechheit: alles dahin. Dagegen mit aufgerissenem Auge (als sei das gar nicht denkbar): «Denken Sie nur, ich hätte sterben können, ich wäre beinahe abgenibbelt.» Tod – bereits Krankheit – ist anscheinend eine Un-Möglichkeit, wird nicht gedacht, nicht antizipiert.
10. März
Kopfweh, dabei sollte ich hüpfen und springen: «Der» Brief hat seine Wirkung getan, dem papiernen ZEITritual folgend (was man in dem Hause wohl «fein» findet), sagte der Herr Chefredakteur nach der letzten «Großen Konferenz» – der Freitagskonferenz der Gesamtredaktion – zu mir: «Darf ich mal einen Augenblick zu Ihnen kommen.» Er durfte. Und durfte sagen: «Die Verlegerin und ich möchten Sie in den nächsten Tagen zum Essen einladen und Sie bitten, das Haus NICHT zu verlassen; wir wollen Ihnen vorschlagen, den bestehenden Zustand um 2 Jahre zu verlängern.»
Ich mußte mein Gesicht sehr mühsam in gelangweilt-desinteressierten Zügen bewahren und mir Mühe geben, wie nebenhin zu sagen: «Na gut, da habe ich ja bis zu dem Essen noch Zeit, mir das zu überlegen, es im Kopf und in der Seele zu bewegen.»
Lächerliches Theater, denn die wissen, daß ich weiß, daß die wissen. Egal: Ich bin gerettet; denn ich denke, wenn ich nun noch einmal – von heute gerechnet 2 ½ Jahre – normal-gut verdiene, und d. h. ja auch, etwas in den Sparstrumpf stopfe, dann müßte eben der für die darauf folgenden 10 Jahre: bis 2008!!! reichen. Mehr soll man nicht wollen – eigentlich soll man nicht mal wollen, älter als das zu werden.
16. März
Glockenläuten, Choral von Leuten und knallende Dom-Pérignon-Pfropfen: So MÜSSTE es sein (und so ist es leider nicht): DIE ZEIT verlängert mir den Vertrag doch tatsächlich bis zum Jahrhundert-(was in diesem Fall heißt: Jahrtausend-)Ende.
Der – etwas zu lange, nämlich bis Mitternacht währende – Einakter verlief so: Im feinen und teuren (schon das leicht affig angesichts von Sparzwängen – einen Vertrag kann man ja auch bei einer Tasse Kaffee bereden) Landhaus Scherrer an der Elbchaussee saß ZU pünktlich, eigentlich ein Formfehler, eine Dame kommt nicht zu früh, Madame von Lang, mich wie einen lange nicht gesehenen Freund
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