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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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begrüßend. Gleich darauf Chefredakteur Leicht – dann 1 Stunde small talk , bei dem ich alter Schmierenschauspieler schon meinen Pfauenfächer auszuspannen begann: Die Rolle hieß: «intellektuell, brillant, witzig». Zum Hauptgang – nachdem sie gesagt hatte: «Ich warte mal, was FJR bestellt, das wird sicher das Beste sein» und nachdem er gesagt hatte: «FJR soll den Wein bestellen, er versteht mehr davon» (meinen sie das wirklich, oder wollen sie meinem Affen namens Eitelkeit Zucker geben?) – wurde das «Hauptgericht» serviert, lässig, wie nebenbei, nonchalant, so im Tone von: «Wir wollen doch zusammenbleiben, lieber FJ, das wollen wir heute regeln», unterbrochen allenfalls von einem Einwurf der Verlegerin, ich sei «der teuerste Mann an Bord», was ich guter Kenner Heines und seines Satzes «Ich bin Cottas teuerste Puppe» parierte mit: «Einer MUSS ja der Teuerste sein – warum dann also nicht ich»: Und als wenig später, sehr fair, Leicht erwähnte, ich säße ja seit Jahren auf denselben Bezügen, war mein Moment gekommen: «Das soll auch getrost so bleiben, ich bin ja kein Dienstmädchen, dem man 5 Mark mehr die Stunde bietet – da gäbe es witzigere Lösungen.» Wie und was, hin und her – – – bis ich sagte: «Na ja, es steht ja ein Ende des Jahrhunderts ins Haus, which happens to be gleichzeitig das Ende des Jahrtausends. Wieso verabreden wir uns nicht auf DIESES Datum als dann eben auch noch das Ende des Vertrages.» Was, ich dachte, ich höre nicht recht, rasch und mühe- wie problemlos akzeptiert wurde! Nur die rechnende Kleinbürgerdame konnte sich nicht verkneifen zu sagen: «Das sind ja noch 3 Monate dazu‹gewogen›» (da mein Vertrag ja Ende SEPTEMBER ausläuft). Was sie dann wohl selber kleinkariert fand.
    Konnte tief in der Nacht zu Hause kaum Ruhe finden – nun erregt nicht wegen GeldMANGEL und Zukunftssorgen, sondern durch den Gedanken: «Was soll ich eigentlich mit dem ganzen Geld.» Dieser jähe Wechsel von Abgrund zu Gipfel machte mich schwindelig; denn nun habe ich wahrlich ausgesorgt, mit 68 Jahren werden meine ZEITbezüge enden – aber bis dahin muß Eichhörnchen Fritzchen genug Nüsse für den Winter versteckt haben.
    Übrigens, in der für mich bekannten Un-Eitelkeit, unterließ ich es nicht, «ganz nebenbei» zu erwähnen, daß ich immerhin im LE MONDE-Artikel über die ZEIT der einzige Kulturjournalist des Blattes sei, der (auch noch rühmend) erwähnt worden sei, und fragte keck: «Wie viele Federn hat das Blatt denn, die man auch im Ausland kennt?»
    Kleiner Wermuts-Nachtrag.
    Ob ich, in meiner Schreibereitelkeit, meine Position bei der ZEIT über die Jahre weg völlig verkannt habe?
    Es irritierte mich schon gewaltig, wie Ute Grass kürzlich in einem «Nebenbei»-Satz vom «Gnadenbrot» sprach, das man mir dort gewähre. Jetzt nun, bei diesem Abendessen am Donnerstag, sagte die Lang en passant (als ich bemerkte, man nutze den einzig namhaften Kulturjournalisten des Blattes nicht recht), nun, ja, das Ganze sei wohl eben doch als eine Art Abfindung aufgefaßt worden.
    Ins Deutliche übersetzt: Man hat nicht per Vertrag den Autor FJR behalten, ans Haus binden wollen – – – man hat vielmehr statt einer veritablen Abfindung sich abfinden müssen/wollen mit dem Umstand, dafür gelegentlich etwas drucken zu müssen.
    Der Hieb sitzt. Habe ich mir doch eingebildet, mit vielen Aufsätzen und Interviews der letzten Jahre nicht nur MIR gedient zu haben, MEINE Fähigkeiten unter Beweis gestellt und ausgewiesen zu haben – – – – – – sondern auch dem Blättchen gedient, wenn nicht gar Ruhm eingeholt zu haben.
    21. März
    Zirkus-Karussell-PS: Inzwischen wurde ich DRINGEND in der letzten Freitagskonferenz gebeten, den Leitartikel zum Thema «Talkshow-Unsinn» zu schreiben. Wogegen ich mich erst wehrte – 1.) weil ich ja als gelegentlicher Gast «befangen», 2.) weil eine Schelte natürlich seltsam in den Ohren meiner NDR-«Partner» klingen muß (von denen, allerdings, ich NIE wieder gehört …!).
    Nach sonntäglichem Telefonat mit Leicht nun also geschrieben, und: Das große Halleluja bricht aus!!! Wie unseriös letztlich Zeitungen sind. Ein Applaus-Geschrei, als hätte ich den ersten Artikel meines Lebens geschrieben: Am Andruck-Abend ruft der stellvertretende Chefredakteur an, er wolle seine Bewunderung ausdrücken, der sich drei weitere Kollegen anschlössen. Um 23 Uhr Leicht mit «großer Glückwunsch und auf ein neues» am Telefon. Nächsten Morgen Ted

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