Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)
diese Abos gekündigt werden.
Ich werde mir erlauben, in der Zentrale Adresse/Telefonnummer/Faxnummer usw. meines künftigen Büros zu hinterlegen; es wird nach einem Vierteljahrhundert ZEIT-Zugehörigkeit nicht ausbleiben, daß noch allerlei Post/Anfragen u. ä. für mich eingehen.
Eine Bitte habe ich, und es wäre mir eine große Hilfe und Erleichterung, wenn Sie/der Verlag dieser Bitte stattgeben könnten: daß ich weiterhin Zugang zum ZEIT-Archiv habe, mich also bei Bedarf an das ZEIT-Archiv wenden kann. Ich werde demnächst mit der Arbeit an meinen Lebenserinnerungen beginnen, und durchaus ist denkbar (siehe unter «Vierteljahrhundert»), daß ich Daten, Zusammenhänge, Artikel gar etc., verifizieren muß. Selbstverständlich akzeptiere ich, wenn die ZEIT das für eine Zumutung hält.
Wenn Ihr strapazierter Terminkalender es erlaubt: Es wäre mir eine Freude, Sie nähmen eine Einladung zu einem Abschieds-Glas an; vielleicht in der ersten Dezemberwoche?
Herzlich grüßt Sie
Ihr
Nizza, den 25. Oktober
Possierliche Absonderlichkeit: Mme. Friede Springer hat (zum Entsetzen der dort Tätigen) ihre Teilnahme an der Verleihung des «Welt-der-Literatur»-Preises abgesagt: wegen der Laudatio Raddatz. Man hat «im Hause» ein Dossier meiner Anti-Springer-Interventionen, die letzte angeblich 1980, zusammengestellt und in der «Ober-Etage» verteilt. Nun wackeln diese Etagen; und ich sage, aus Daffke, nicht ab.
Die sensiblen Tycoone. Machtvolle Firmen sind inzwischen empfindlicher als junge Lyriker: Peter Wapnewski wird zu einem ZEIT-Empfang nicht geladen, weil er zuvor das Blatt als langweilig charakterisiert und abbestellt hat. Peter Sloterdijk, der fürs ZDF eine Art «philosophisches Quartett» moderieren soll und dazu/darüber Interviews gab (also die von ihm geplanten Inhalte skizzierte), wird gemahnt: Nur der Sender (wer ist das?) dürfe öffentlich über seine Sendungen perorieren; also nicht etwa der, der sie macht.
Wie angenehm, alt und (relativ) unabhängig zu sein. Selbst würde mir das ansehnliche Laudatoren-Honorar – immerhin fast die Jahresmiete für diese Wohnung hier – entgehen, müßte ich nicht darben. Schade, daß es nicht immer so war …
3. November
Die Überwucherung durchs Secundäre wäre ein schönes schauriges Thema. Wenn man Äußerlichkeiten secundär nennen darf, dann muß festgehalten werden, daß Äußerlichkeiten inzwischen auch die sogenannte literarische Kritik bestimmen. Das Häme-Blätt’chen SPIEGEL kann nicht darauf verzichten, bei einem Vergleich der Tagebücher von Kempowski und Rühmkorf zu erwähnen/beschreiben/karikieren, wie letzterer bei einer Lesung seinen mehrfarbenen Seidenschal gestreichelt habe; für diese Herren mit ihren Wollschals offenbar ein literarisches Kriterium; nicht indes, WAS in den Tagebüchern steht. So durfte auch jemand in der SZ mein Benn-Buch verreißen (was ja erlaubt ist, wenn argumentiert würde), indem den ganzen Eingangsabsatz NUR mein Name rezensiert wird, nicht etwa das Buch (dessen überreizte Sprache dann, o du mein Klippschüler, an einem BENNZITAT sinnfällig gemacht wird – in der Eile, jemanden «fertigzumachen», verwechseln diese kleinen Jieperer Objekt und Subjekt). Aber das, was das J. in meinem Namen besagt: DAS ist interessant, DAS muß kritisiert werden; o heilige Einfalt, die nie die Namen T. S. Eliot oder W. H. Auden je gehört. Und wie ich auf dem Klappentextfoto aussehe: DAS ist wichtig – nicht, was und wie ich bisher gearbeitet habe.
Scenenwechsel. Mein Abschied von der ZEIT beschäftigt mich – bis in wirre Träume hinein – über die Grenze des Erlaubten hinaus. Ich hing dann wohl doch – jenseits der Eitelkeit und des Wissens, daß ich da einen hübschen Schallverstärker in der Hand habe – an der Arbeit. Aber: Nachdem der immer schwer zu greifende, mal hochfreundschaftliche, mal im Lift nur huldvoll nickende Herr Naumann, seines Zeichens Chefredakteur, meinen Brief zum 31. Dezember erhalten hat, vor nunmehr 3 Wochen: nichts. Keine Antwort, kein Anruf: «Lassen Sie uns einen Kaffee trinken.» Schweigen. Vielmehr: Gestern hörte er meine Stimme auf dem Flur vor seinem Zimmer, bat mich herein, Kaffee, Cigaretten, Klatsch (natürlich über Frauen; auch irgendetwas mich absolut nicht Interessierendes aus seiner Familie – ich erzähle ihm doch auch nix von MEINER Familie?), dann ging er ohne 1 Wort zu sagen aus dem Zimmer, in eine Sitzung, in der Tür ein: «Wollen Sie mit reinkommen (in die Sitzung)?»
Weitere Kostenlose Bücher