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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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Literaturhaus, deren Höhepunkt wohl doch die Laudatio von Grass auf mich war (gewiß seinetwegen und nicht meinetwegen auch so überfüllt); er tat das mit großem Charme und viel Witz, weil er die «Lesung aus den Raddatz-Texten» integrierte, also keine Laudatio apart und DANN die Texte sprach, sondern immer zu irgendeiner Charakterisierung meiner Person – kühn oder politisch oder analytisch oder, oder – «Belege» aus meinen Texten vorlas; die sich, von ihm vorgetragen, übrigens recht gut anhörten (und zu meiner eigenen Überraschung – man liest ja die eigenen Bücher nie mehr), auch in der Interpretation meist scharf und richtig.
    Mein Aperçu dann insofern eigenartig, weil ich ja aus den unveröffentlichten Tagebüchern las und dabei hinwiederum jene Scene, wie ich am selben Orte schon einmal aus ihnen gelesen hatte und wie dumm-ungebildet der SPIEGEL etwa darauf reagiert hatte. Also allerlei Schleifen und Kurven und Pirouetten – – – – die aber insgesamt sehr gut ankamen, der Ruf «Mehr davon!» und «Wann wird das gedruckt?» unüberhörbar.
    Auch noch den ganzen weiteren Abend oben beim von der ZEIT elegant und üppig ausgestatteten Buffet. Mein Verleger der Memoiren wird’s nicht leicht haben (schrieb mir, umgehend, das Material müsse IN dem Buch erhalten bleiben); aber vor allem ICH werde es nicht leicht haben, die rechte Form muß ja gefunden werden zwischen Erzählung, Bericht, Erinnerung und eben authentischem Zitat.
    7. Oktober
    Krieg. Nie hätte ich gedacht/geträumt, auch nur befürchtet, daß es in meinem Leben noch einmal zu einem regelrechten Krieg – ja, hoffentlich nicht, WELTkrieg – – – kommen würde. Schockiert und verängstigt will ich hier aber nicht das Zeitungspalaver JANEINJA wiederholen, den «Zwang» der Amerikaner zurückzuschlagen und den religiösen Irrsinn der Mörder von New York, wobei ja der religiöse Irrsinn auch mitten in Europa, nämlich in Irland, rast; Religion, von der Marx irrtümlich annahm, sie verschwände, scheint das Schlimmste zu sein – von den Kreuzzügen bis zur blutigen Raub-Eroberung Lateinamerikas; unvergessen mein Besuch in Kuba (oder war’s Kolumbien) im Haus, heute Museum des höchsten katholischen Würdenträgers der «Kolonie», das zugleich war: Wohnhaus, Amtssitz, Folterkeller der Inquisition und Goldschmelze – alles unter einem Dach.
    Bizarr, wie die Linien unserer Freundschaft seit eh und je: genau DIESEN Abend also Abendessen bei Paul Wunderlich, der besonders schöne, unglaublich harmonische, gelungene Möbel zeigte, tatsächlich in der Qualität von Roentgen oder Leleu.
    Das Gespräch – auch von mir dorthin dirigiert, damit wir nicht NUR über die Querelen mit seinem Schwiegersohn reden – interessant: Wieso sind die Banalitäten des neuen, eben erschienenen Tagebuchs von Kempowski – ALKOR – nur banal, damit langweilig-unbeträchtlich – – – und wieso sind gleichsam DIESELBEN Banalitäten des Tagebuchs von Thomas Mann es nicht? «Kakao getrunken, Rossini gehört», so etwa: Und bei Kempi klingt’s alles spießig-bieder-rechnerisch, auch stets ein wenig beleidigt («Wieso schickt mich das Goethe-Institut nicht nach …?»), er hat keine Distanz zu sich selber, deshalb wirkt es so «platsch»-ernst. Bei Thomas Mann amüsiert mich sogar «Pudel geschoren». Es gibt ja die Anekdote, der zufolge es zu dessen Zeiten einen Epiphyten gab, und Thomas Mann, befragt, was er von dem Nachschreiber halte, soll geantwortet haben: «Er schreibt wie ich – nur meint er’s ernst.» Ob’s das ist? Oder gilt das simple Gesetz «quod licet jovi, non licet bovi»?
    Wie etwa in der Tagesdebatte, da ein Fernsehansager US-Präsiden Bush quasi mit dem Mörderbanditen Bin Laden verglich – – – und sich dabei auf eine der bekanntesten indischen Schriftstellerinnen berief, die den einen des anderen «Spiegel» genannt hatte (oder so ähnlich). DIE darf das – der Fernsehfuzzi darf’s nicht.
    Noch 7. Oktober
    Nachtrag zu nachdenklichem, bewegendem Henze-Opern-Abend (wegen scheußlich schmerzendem Rücken leider in der Pause gegangen): «We come to the river», eine Kriegs-, respektive Anti-Kriegsoper. Hochdifferenzierter, mich erfreuender, fast militanter Text im Programmheft von Henze (vermutlich Jahre zurückliegend), der die «Angriffsmöglichkeit» der Kunst erläutert/verteidigt, der erklärt, wie er das musikalische Material der Anti-Kriegsidee zuordnet. Bleibt ein Aber, jedenfalls eine Frage: Funktioniert das?
    Gibt es

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