Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)
die Brusthaare, die bereits graulockig sind, ißt und trinkt abends wenig – bis es an der Tür klingelt: «Krefeld ist da» (das könnte der Titel der Erzählung sein).
Hereingehüpft, mit einer Segeltuchtasche von «Möbel-Franz» in der Hand, kommt auf seinen Turnschuhen der Knabe, tatsächlich auch bei dieser Begegnung elektrisierend «schön» und erotisch. Man trinkt ein Bier, raucht. Dann sagt der Besuch: «Ich war so lange im Auto unterwegs, ich dusch erst mal.» Der Alte legt sich in sein Arbeitszimmer aufs Sofa, raucht, trinkt, wartet mit steifem Schwanz, mit dem Handtuch um die Hüften – «Nein, jetzt noch nicht, gleich» –, kommt der Knabe, ganz sportiv fragend: «Du, sag mal, du willst mich doch bestimmt nachher ficken, hast du so ne Dusche da zum Spülen?», als bäte er um ein Handtuch. Der Alte, seit Jahren weg von der Scene, hat so was nicht, kennt es nicht mal. «Na, dann mach ich das mit einem anderen Trick», sagt GANZ UNBEKÜMMERT DER KNABE: «Soll ich meinen Schwanzring ummachen, magst du das?» Der Alte steht schließlich, nach sehr kurzem «Vorspiel» in der Bibliothek, im Schlafzimmer vorm Spiegel, eine traurig-lächerliche Gestalt mit kleinem Bäuchlein: «Schön, daß du bißchen korpulent bist», sagt der Knabe zu ihm, der immer so stolz darauf war, in seinem Alter noch schlank zu sein. Der Alte ist so täppisch-geil, daß er die Präservativ-Verpackung nicht aufbekommt, der Knabe: «Du hast aber auch einen Mächtigen» hatte er immerhin zu des Alten Erleichterung gesagt, sagt: «Soll ich das mal machen, gib mal her, ich kenn mich damit aus», «zieht» dem Alten den Präser an und sagt, als sähe er einen Film, der ihm gefällt, oder als beiße er in ein leckeres Leberwurstbrötchen, nach ein paar Minuten: «Echt gut, wie du fickst.» Wie ein unbekümmertes Tier will er’s vorm Spiegel, um zu sehen, wie der Alte ihn fickt, der Junge ist ganz bei der Sache – aber eben bei der «Sache», sagt: «Paß auf, wenn ich komme, daß ich nicht auf den Teppich spritze» und schließlich: «Aber nimm doch deswegen kein frisches Handtuch, ist ja schade drum, komm, ich hol irgendeinen Lappen.»
Am nächsten Tag, der Alte hat sich in der Nacht den «Orden fürs Dreifache» geholt, ist der vollkommen erschöpft, todmüde, zerschlagen, selbst der Spann an den Füßen schmerzt wie nach einem 1000-Meter-Lauf, Kopfweh, Tabletten, eiskalte Duschen. Er flüchtet nach dem Frühstück – «Ich muß den Tag über leider arbeiten» – in seine Bibliothek. Der Junge will bis abends (er bleibt 2 Nächte) «durch die Stadt bummeln». Beim Verabschieden merkt der Alte – der Junge hat seinen metallenen Schwanzring um.
Fortsetzung und Ende der Erzählung
Der Junge hat stundenlang in der Stadt NICHTS gesehen, kein Museum, kein Haus, war nur «bei Helmuth, du weißt, der Exfreund von Kurt, der früher mal was mit Ludwig hatte, wie gesagt» – wovon der Alte natürlich NICHTS weiß und nur bemerkt, daß ständig «wie gesagt» bei Zusammenhängen benutzt wird, über die nie was gesagt wurde. Der Abend – sie gehen in ein mittelpreisiges Restaurant – verläuft ebenso: Der Junge erzählt ohne Punkt und Komma über seinen Bruder, wieviel der wiegt oder was seine Mutter geerbt hat, oder die eigene schiefgegangene Ehe, alle erdenklichen beruflichen Dinge aus «der Firma», für die er wohl als Vertreter für Arbeitsschutzmittel unterwegs ist.
Aber er fragt nie, mit keinem Wort, danach, was «der Alte» eigentlich genau tut, wie er lebt. Er bringt zwar ein himmelblau gebundenes Fotoalbum mit und zeigt Fotos von seiner Wohnung, seinen Kindern, sich selber – aber weiß nicht, ob sein Gastgeber verheiratet ist, in einer Bindung lebt, fragt auch nicht danach.
Mit derselben etwas schafigen, zugleich lieben Selbstverständlichkeit erzählt er, daß er zweimal die Woche ins Bordell ging, nachdem die Ehe kaputt war und seine Frau ihn nicht mehr «ranließ», und sagt: «Eigentlich würde ich bestimmte Dinge im Bett nicht machen – aber mit dir ist es was anderes, ich habe gleich gemerkt, du bist sauber» – als könne man AIDS mit Seife und warmem Wasser verhindern. Mit eben derselben Selbstverständlichkeit stellt er sich in die Küche und wäscht ab: «Gläser muß man zweimal spülen, sonst haben sie einen Rand, das finde ich ekelhaft; meine Mutter hat auch so schöne Gläser – echtes Kristall, ganz dünn.» Dann sagt er geradezu stolz: «Nun kann keiner mehr sehen, daß du Besuch gehabt hast» – als
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